Rz. 70
Aus dem allgemeinen Grundsatz, dass Einkünfte auch dann dem Schuldner zuzurechnen sind, wenn sie im Rahmen der Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse erzielt werden, folgt, dass grundsätzlich auch Verluste der Insolvenzmasse dem Schuldner als dem Stpfl. mit voller steuerlicher Wirkung zuzurechnen sind. Hieraus folgt, dass neben dem Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart unter Berücksichtigung der allgemeinen Beschränkungen des § 2 Abs. 3 EStG sowie der §§ 2a, 2b EStG auch im Insolvenzverfahren eine Verrechnung zwischen den verschiedenen Einkunftsarten des Schuldners erfolgt; denn der Schuldner hat auch bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur ein Einkommen. Dies gilt ebenso für die Verluste nach § 15a EStG, da diese Bestimmung ebenfalls im Insolvenzverfahren Anwendung findet.
Rz. 71
Ebenfalls grundsätzlich nicht berührt wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Verlustabzug nach § 10d EStG. In den seit 1999 geltenden Grenzen ist sowohl ein Verlustvortrag als auch ein Verlustrücktrag möglich, wobei es ohne Bedeutung ist, aus welcher Vermögensmasse die positiven und negativen Einkünfte resultieren. Zwischen den Einkünften der Vermögensmasse ist damit grundsätzlich ein Verlustabzug möglich.
Rz. 72
Umstritten ist die Rechtslage bei der Nachlassinsolvenz. Auch die Rspr. des BFH insbesondere zur Geltendmachung von steuerlichen Verlustvorträgen durch Erben ist nicht einheitlich. Der BFH hat hierzu zunächst die Ansicht vertreten, dass ein Verlustabzug des Erben in diesen Fällen nicht zulässig sei, da der Erbe wirtschaftlich die Verluste des Erblassers nicht trage. Dies ist in der Lit. kritisiert worden, da die steuerrechtliche Stellung des Erben unabhängig von der zivilrechtlichen Haftung ausgestaltet sei. Der BFH hat dann seine Rspr. dahin gehend geändert, dass der Erbe die Verluste des Erblassers grundsätzlich wie eigene Verluste geltend machen könne, wenn er wirtschaftlich belastet sei. Diese Rspr. bestand bis 2000.
Rz. 73
Im Jahr 2000 haben der I. und der VIII. Senat des BFH jedoch die Auffassung vertreten, Verluste des Erblassers seien nicht vererblich. Der BFH hat seine Rechtsprechungsänderung damit begründet, dass der Erbe zwar in die Rechtsstellung des Erblassers eintrete, dies aber nicht für solche Positionen gelte, die höchstpersönlich mit der Person des Erblassers verbunden seien. Die Möglichkeit des Verlustabzugs zähle hierzu. In BFH v. 16.5.2001, I R 76/99, BFH/NV 2001, 1327 hat jedoch der I. Senat seine Rspr. erneut dahin gehend korrigiert, dass Verlustvorträge doch durch einen Erben geltend gemacht werden können. Diesen erneuten Rechtsprechungswechsel hat der Senat mit dem Erfordernis begründet, es müsse einer Überbesteuerung entgegengewirkt werden. 2004 hat dann der XI. Senat dem Großen Senat erneut diese Rechtsfrage vorgelegt. Dieser hat dann mit Urteil v. 17.12.2007 abschließend entschieden, dass keine Vererbbarkeit von steuerlichen Verlustvorträgen erfolgt. Dieses Urteil ist als misslich anzusehen, da es die zivilrechtlichen Folgen der Erbschaft außer Acht lässt.