Rz. 4

Gegen sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen), die der Staatsaufsicht unterliegen, ist die Vollstreckung zwar zulässig, doch werden Einschränkungen normiert. § 255 Abs. 1 S. 2 AO bestimmt insofern, dass eine Vollstreckung nur mit Zustimmung der jeweiligen Aufsichtsbehörde zulässig ist.[1] Die Aufsichtsbehörde kann dabei nach § 255 Abs. 1 S. 3 AO den Zeitpunkt und die Art der Vollstreckung bestimmen, da diese Körperschaften im öffentlichen Interesse tätig sind und ihre Funktionsfähigkeit erhalten bleiben soll.[2]

 

Rz. 5

Anwendbar ist § 255 Abs. 1 S. 2 AO etwa auf Gemeinden, Gemeindeverbände, Sozialversicherungsträger, Handels- und Handwerkskammern, Universitäten und Hochschulen sowie Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkammern.[3] Keinen besonderen Vollstreckungsschutz genießen nach der Umwandlung in privatrechtliche Gesellschaften hingegen die ehemaligen Staatsbetriebe. So sind die Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Postbank AG wie jeder andere Vollstreckungsschuldner zu behandeln.[4] Gleiches gilt für die Deutsche Bahn AG nach deren Privatisierung. Auch Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 255 AO.[5]

 

Rz. 6

Ferner nicht unter den Anwendungsbereich des § 255 Abs. 1 S. 2 fallen die katholische und die evangelische Kirche. Diese sind zwar als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert, doch unterliegen die Kirchen nach Art. 137 WRV i. V. m. Art. 140 GG ausdrücklich nicht der Staatsaufsicht.[6]

 

Rz. 7

Wird trotz fehlender Zustimmung der Aufsichtsbehörde gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts vollstreckt, stellt dies einen Verstoß gegen § 255 AO dar. In einem solchen Fall ist die Vollstreckungsmaßnahme zwar anfechtbar, aber nicht nichtig.[7]

[1] Vgl. auch Abschn. 18 Abs. 3 VollStrA; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 255 AO Rz. 4; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 255 Rz. 5.
[2] Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 255 AO Rz. 19ff.
[3] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 255 Rz. 3; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 255 AO Rz. 4; Jatzke, in HHSp, AO/FG, § 255 AO Rz. 15.
[4] S. auch Postneuordnungsgesetz v. 14.9.1994, BGBl I 1994, 2325.
[5] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 255 AO Rz. 6.
[6] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 255 AO Rz. 5; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 255Rz. 3; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 255 Rz. 4; Jatzke, in HHSp, AO/FGO, § 255 AO Rz. 18.
[7] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 255 AO Rz. 8; a. A., da ein schwerwiegende Fehler vorliege: Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 255 Rz. 5; Jatzke, in HHSp, AO/FGO; § 255 AO Rz. 23f.; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 255 Rz. 7.

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