1 Allgemeines
1.1 Inhalt und Bedeutung
Rz. 1
§ 274 AO ermöglicht die Aufteilung der rückständigen Steuer nach einem besonderen Aufteilungsmaßstab. S. 1 bestimmt, dass die Aufteilung abweichend von den §§ 270–273 AO nach einem von den Gesamtschuldnern gemeinschaftlich vorgeschlagenen Maßstab erfolgen kann, wenn die Tilgung sichergestellt ist. S. 2 regelt die Form, in der der gemeinschaftliche Vorschlag zu unterbreiten ist.
Die Regelung kann sowohl den Interessen des FA entsprechen dem u. U. zeitraubende Berechnungen erspart bleiben, als auch den Interessen der Gesamtschuldner, die eine ihren besonderen Belangen entsprechende Regelung vereinbaren können. In der Praxis wird ein gemeinschaftlicher Vorschlag der Gesamtschuldner aber häufig an den zwischen ihnen bestehenden Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätzen scheitern.
1.2 Anwendungsbereich
Rz. 2
§ 274 AO ist in allen Fällen anwendbar, in denen die Aufteilung anderenfalls nach den §§ 270–273 AO zu erfolgen hätte. Er gilt also nicht nur für die Aufteilung der veranlagten Steuer, sondern auch für die Aufteilung von Vorauszahlungen und von Steuernachforderungen.
1.3 Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rz. 3
Unter den Voraussetzungen des § 274 AO verdrängt der von den Gesamtschuldnern gemeinschaftlich vorgeschlagene den sich aus den §§ 270-273 AO ergebenden Aufteilungsmaßstab. Die Vorschriften der §§ 276-280 AO bleiben davon unberührt.
2 Aufteilung nach einem gemeinschaftlichen Vorschlag (S. 1)
2.1 Gemeinschaftlich vorgeschlagener Maßstab
Rz. 4
Die Gesamtschuldner können gemeinsam einen Aufteilungsmaßstab vorschlagen, der von demjenigen der §§ 270–273 AO abweicht. Dabei ist jeder denkbare Vorschlag möglich. So kann z. B. im Fall der Änderung einer Steuerfestsetzung anstelle des besonderen Aufteilungsmaßstabs des § 273 Abs. 1 AO die Aufteilung nach dem allgemeinen Maßstab der §§ 270, 271 AO vorgeschlagen und zugrunde gelegt werden.
2.2 Sicherstellung der Tilgung
Rz. 5
Weitere Voraussetzung für eine abweichende Aufteilung ist die Sicherstellung der Tilgung. Hierdurch soll der Gefahr begegnet werden, dass der gemeinschaftliche Vorschlag demjenigen Gesamtschuldner einen höheren Aufteilungsanteil zuordnet, der über kein hinreichendes Vermögen verfügt.
Die Beurteilung der Frage, ob die Tilgung sichergestellt ist, steht nicht im Ermessen des FA. Die Sicherstellung der Tilgung ist vielmehr ein unbestimmter Rechtsbegriff. Sichergestellt ist die Tilgung dann, wenn nach den Vermögensverhältnissen des Gesamtschuldners, der nach dem Vorschlag einen höheren Anteil als nach dem gesetzlichen Aufteilungsmaßstab entrichten soll, die reibungslose Tilgung zu erwarten ist oder wenn ausreichende Sicherheit nach den §§ 241ff. AO geleistet wurde. Entsprechendes gilt für den Fall, dass mehreren Gesamtschuldnern ein höherer Anteil zugeordnet wird. Dabei braucht die Tilgung nicht in vollem Umfang sichergestellt zu sein, sondern nur insoweit, als der Vorschlag der Gesamtschuldner zu von der Regelung der §§ 270ff. abweichenden Ergebnissen führt.
2.3 Ermessensentscheidung
Rz. 6
Sind alle Voraussetzungen für eine abweichende Aufteilung nach dieser Vorschrift erfüllt, so kann das FA entsprechend dem gemeinschaftlichen Vorschlag aufteilen. Die Aufteilung nach dem vorgeschlagenen Maßstab steht also im Ermessen des FA. Soweit die Tilgung sichergestellt ist, dürfte es allerdings keine tragfähigen Gründe dafür geben, dem gemeinschaftlichen Vorschlag nicht zu folgen.
3 Form des gemeinschaftlichen Vorschlags (S. 2)
Rz. 7
Der gemeinschaftliche Vorschlag ist formbedürftig. Er ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären und von allen Gesamtschuldnern zu unterschreiben. Damit scheidet die Anwendung der elektronischen Form aus. Durch den Zwang zum gemeinschaftlichen Vorgehen sollen mögliche Unklarheiten über die Wünsche der verschiedenen Gesamtschuldner und daraus folgende Streitigkeiten vermieden werden. Die schriftliche Einreichung des Vorschlags oder die Erklärung zur Niederschrift haben bei dem für die Aufteilung zuständigen FA zu erfolgen.
Grundsätzlich können sich die Gesamtschuldner bei ihrem gemeinschaftlichen Vorschlag, d. h. bei der Unterschriftsleistung unter dem gemeinsamen schriftlichen Vorschlag oder bei der Erklärung zur Niederschrift, vertreten lassen. Das Gesetz hat keine eigenhändige Unterschrift vorgeschrieben, obwohl bei der Stellvertretung leicht Nachweisprobleme hinsichtlich des Bestehens der Vertretungsmacht und damit Unsicherhei...