Rz. 44
§ 357 Abs. 3 S. 3 AO bestimmt schließlich, dass in dem Einspruch "die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden" sollen. Auch insoweit besteht keine Verpflichtung, da der Einspruch nur durch Tatsachen und Beweismittel angereichert werden "soll", aber nicht muss.
Rz. 45
Zur Begründung seines Einspruchs soll der Stpfl. Tatsachen vortragen. Ist die Finanzbehörde bei dem Erlass des angegriffenen Verwaltungsakts von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen, hat der Stpfl. die Möglichkeit, diesen in seiner Einspruchsbegründung richtigzustellen. Da das Einspruchsverfahren einen Teil des finanzbehördlichen Verwaltungsverfahrens darstellt und die Einspruchseinlegung die Finanzbehörde in die gleiche Rechtssituation versetzt wird, als würde sie erstmalig über die Sache entscheiden, ist der Einspruchsführer bei seinem Tatsachenvortrag nicht eingeschränkt. Er kann z. B. auch solche Tatsachen vortragen, die aufgrund seines eigenen Verschuldens bisher nicht berücksichtigt wurden. Auch bisher nicht gestellte Anträge können nunmehr erstmals gestellt werden und – soweit dies nicht anderweitig gesetzlich ausgeschlossen ist – Wahlrechte anders als bisher ausgeübt werden. Richtet sich der Einspruch gegen einen Steuerbescheid, in dem die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt wurden, kann der Stpfl. zur Begründung seine Steuererklärung nachreichen.
Rz. 46
Der Einspruchsführer kann seine Begründung während der Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens bis zur Beendigung durch die Finanzbehörde nachschieben, ergänzen, modifizieren oder inhaltlich völlig umstellen.
Rz. 47
Auch wenn § 357 Abs. 3 S. 3 AO nur von Tatsachen spricht, die der Stpfl. zur Begründung des Einspruchs vortragen soll, ist es ihm freilich nicht verwehrt, (auch) Rechtsausführungen zu machen.
Rz. 48
Schließlich sollen von dem Einspruchsführer auch Beweismittel angeführt werden, die zum Beleg der Tatsachenausführungen dienen. Hierfür kommen insbesondere die in § 92 AO genannten Beweismittel in Betracht, also Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen, Sachverständige, Urkunden und Akten und der Augenschein. Die Finanzbehörde darf die von dem Einspruchsführer benannten Beweismittel nicht ohne Weiteres übergehen.
Rz. 49
Hat der Einspruchsführer seinen Einspruch nicht begründet und keine Beweismittel vorgelegt, ist die Finanzbehörde nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO zwar verpflichtet, den angegriffenen Verwaltungsakt vollumfassend zu überprüfen, ihre Aufklärungspflicht beschränkt sich nach § 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 88 AO allerdings auf eine Überprüfung anhand der Aktenlage (s. bereits Rz. 42).
Rz. 50
Auf der anderen Seite ist der Einspruchsführer – unabhängig von der fehlenden Pflicht zur Begründung seines Einspruchs – nach § 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 90 AO auch im Einspruchsverfahren zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Die Finanzbehörde hat nach § 364b AO die Möglichkeit, dem Einspruchsführer eine Ausschlussfrist zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt, sowie zur Bezeichnung oder Vorlage von Beweismitteln zu setzen.
Rz. 51
Regelmäßig kommt ohne entsprechende Angaben im Antrag oder Einspruch auch eine Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO nicht in Betracht, wenn sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht bereits ohne Weiteres aus der Aktenlage ergibt. Auch übernimmt der Einspruchsführer das Risiko, dass ihm nach § 137 Abs. 1 S. 1 FGO die Kosten eines ggf. anschließenden finanzgerichtlichen Verfahrens auferlegt werden, wenn aufgrund einer erstmals im Klageverfahren gegebenen Begründung oder vorgelegter Beweismittel die Finanzbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt korrigiert und den Rechtsstreit für erledigt erklärt.