Rz. 9

Da beim Verfügungsberechtigten i. S. d. § 35 AO das Auftreten nach außen die entscheidende Voraussetzung für die Belastung mit den Pflichten eines gesetzlichen Vertreters ist, muss mit der Beendigung des entsprechenden Auftretens der Zeitpunkt gegeben sein, von dem an neue steuerliche Pflichten nicht mehr entstehen können. Gibt der Verpflichtete im Rechtsverkehr eindeutig zu erkennen, dass seine Berechtigung entfallen ist, fehlt es fortan an einem Auftreten als Verfügungsberechtigter.[1] Besteht seine Berechtigung zwar fort, macht er aber ab einem bestimmten Zeitpunkt wissentlich und willentlich nachhaltig keinen Gebrauch mehr von ihr, muss das Gleiche gelten.

Da das Auftreten nach außen aber einen bestimmten Anschein erweckt, an den das Gesetz hier anknüpft, kann das Ende für die Möglichkeit der Entstehung steuerlicher Pflichten nicht sofort mit einem Untätigwerden nach außen eintreten. Die bloße Untätigkeit als solche lässt i. d. R. für sich gesehen noch nicht den Schluss auf die Beendigung des Auftretens zu.[2] Vielmehr muss noch etwas hinzutreten, das den Anschein beseitigt. Das kann eine Erklärung z. B. gegenüber der Finanzbehörde sein, dass eine Tätigkeit als Verfügungsberechtigter nicht mehr ausgeübt wird oder sich auf bestimmte Teilbereiche beschränkt.[3] Das kann aber auch im Ablauf einer nicht ganz kurzen Zeitdauer der Untätigkeit liegen, aus dem auf ein künftiges Unterbleiben des Auftretens als Verfügungsberechtigter geschlossen werden kann.

Mit dem Wegfall der rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeit (z. B. Entzug der Vollmacht), die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, ist ebenfalls eine Entstehung neuer steuerlicher Pflichten ausgeschlossen.

[1] Koenig/Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 36 Rz. 8.
[2] Koenig/Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 36 Rz. 8.
[3] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 36 AO Rz. 6.

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