Rz. 80
§ 371 Abs. 1 AO stellt hinsichtlich der Form der Selbstanzeige keine Anforderungen. Für die inhaltliche Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der fehlerhaften oder unterlassenen Angaben gilt also der Grundsatz der Formfreiheit. Die Selbstanzeigeerklärung kann damit mündlich, auch fernmündlich, zu Protokoll der Finanzbehörde, per Telefax oder E-Mail erfolgen. Die Verwendung amtlicher Vordrucke ist nicht erforderlich – im Gegensatz z. B. zur Abgabe einer Steuererklärung oder einer Strafbefreienden Erklärung gem. § 3 Abs. 1 StraBEG. Eine Unterzeichnung der in Schriftform abgegebenen Selbstanzeige ist nicht erforderlich. Es muss sich aus der Selbstanzeige lediglich die Identität des Anzeigeerstatters ergeben (zur Stellvertretung vgl. Rz. 53 ff.).
Hinweis
Im Hinblick auf die Dokumentation der Selbstanzeige und ihres Zugangs ist allerdings die Schriftform ebenso angebracht wie eine Empfangsbestätigung des FA oder die Hinzuziehung eines Zeugen bei der Abgabe der Selbstanzeige.
Rz. 81
Die Selbstanzeigeerklärung muss nicht als "Selbstanzeige" bezeichnet sein oder einen Hinweis auf § 371 AO enthalten. Vielmehr kann sie in der Form der Steuererklärung oder einer Steueranmeldung erfolgen, z. B. durch Einreichung bisher nicht abgegebener Voranmeldungen oder Korrektur falscher Voranmeldungen. Ebenso reicht eine beiläufige Erklärung in einer Besprechung mit der Finanzbehörde aus. Ein Hinweis, dass durch die abgegebene Steuererklärung eine bereits vorliegende Steuererklärung berichtigt werden soll, ist nicht erforderlich. Auch die richtigen Jahres-Steuererklärungen können hinsichtlich falscher Voranmeldungen oder Vorauszahlungsanträge eine Selbstanzeige darstellen (Rz. 93).
Wird die Selbstanzeige nicht als "Selbstanzeige", sondern z. B. als "Nachträgliche Berichtigung" bezeichnet, so hat dies für den Stpfl. mehrere Vorteile: Einerseits wird durch eine Bezugnahme auf § 371 AO indiziell eingeräumt, dass eine vorsätzliche Handlung vorliegt. Folglich ist damit der Weg über § 153 AO verschlossen und für eine eventuelle spätere gerichtliche Auseinandersetzung verschlechtert sich die Position des Stpfl.
Darüber hinaus wird die Bezugnahme auf § 371 AO deutlich eher zu einer Weiterleitung des Falles an die zuständige Bußgeld- und Strafsachenstelle führen, sodass es zu einem Steuerstrafverfahren kommt, das auch zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO und ggf. eines Zuschlags nach § 398a AO führen kann.
Rz. 82
Für § 371 AO in der bis zur Änderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im Jahre 2011 geltenden Form war davon auszugehen, dass eine sog. "Teilselbstanzeige" zulässig war (Rz. 122ff.). Die Selbstanzeige musste nicht in einer einheitlichen Darstellung erfolgen, sondern es waren auch verschiedene getrennte Erklärungen möglich. Solche Teilselbstanzeigen bewirkten allerdings nur dann eine Teilstraffreiheit, wenn jede Teilerklärung hinreichende Angaben über die Besteuerungsgrundlagen (Rz. 85ff.) enthielt. Fehlten hinreichende Angaben, so lag nur eine "Selbstanzeigeankündigung" vor, die noch keine Anwartschaft auf Straffreiheit begründete. Die Gesamtheit der "Teilselbstanzeigen" bewirkte die volle Straffreiheit, wenn nicht vor dem Eingang der jeweiligen Teilerklärung ein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 AO eingetreten war.
Der Täter erklärte im Jahr `08 seine Kapitaleinkünfte aus Liechtenstein nach, im Jahr `09 diejenigen aus der Schweiz und im Jahr `10 die österreichischen. Durch jede dieser Erklärungen wurde er nach der bis zum Jahr 2011 geltenden Rechtslage im Hinblick auf die jeweils erklärten Kapitalerträge straffrei.
Im Hinblick auf das Vollständigkeitserfordernis des aktuellen § 371 Abs. 1 AO ist eine solche Teilselbstanzeige, abgesehen von den in § 371 Abs. 2a AO geregelten Ausnahmen, heute nicht mehr wirksam (Rz. 130ff.).