Rz. 22
§ 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO erfasst allein das entgeltliche In-Verkehr-Bringen von Belegen. Die Regelung bezieht sich nur auf Steuern, nicht auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben. Auch insoweit ist eine abstrakte Gefährdung des Steueranspruchs erforderlich.
2.2.1.1 Beleg
Rz. 23
Der Begriff des Belegs ist identisch mit dem in Nr. 1 (vgl. Rz. 8ff.), wobei es im Rahmen der Nr. 2 nicht auf die Unrichtigkeit des Belegs ankommt. Folglich wird der Tatbestand auch verwirklicht, wenn ein inhaltlich zutreffender Beleg (z. B. Kauf von Benzin zu einem bestimmten Preis) von einem "falschen" Stpfl. verwendet werden soll, um bei ihm nicht angefallene Kosten steuerlich geltend machen zu können.
2.2.1.2 In Verkehr bringen
Rz. 24
Ein In-Verkehr-Bringen liegt vor, wenn der einzelne Beleg aus der Verfügungsmacht des Täters so entlassen wird, dass ein anderer tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich des Belegs zu bemächtigen und mit ihm nach eigenem Belieben zu verfahren. Der Tatbestand ist hingegen nicht erfüllt, wenn unbeabsichtigt einem anderen die Verfügungsmacht über Belege verschafft wird, z. B. wenn der Beleg an der Kasse liegenlassen oder weggeworfen wird.
2.2.1.3 Entgeltlichkeit
Rz. 25
Das In-Verkehr-Bringen muss entgeltlich erfolgen. Unter Entgelt versteht man nach der Legaldefinition des § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung. Folglich ist der Tatbestand erfüllt, wenn die Weitergabe aufgrund einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung im Hinblick auf eine vermögenswerte Gegenleistung erbracht wird. Es ist jedoch unerheblich, ob die vermögenswerte Gegenleistung in Geld oder einer bloßen Sachzuwendung (z. B. Wein, Spirituosen, Blumen) besteht.
Das nicht-entgeltliche In-Verkehr-Bringen ist hingegen vom Tatbestand nicht erfasst. Werden die Belege also z. B. zur Kundenbindung, zur Klimapflege oder aus Freundschaft weitergereicht, ist dies nicht ordnungswidrig.
Rz. 26
Es liegt allerdings sowohl im Fall der entgeltlichen wie auch der unentgeltlichen Weitergabe eines Belegs eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor, wenn die unentgeltliche Weitergabe in der Erwartung erfolgt, dass der Empfänger sie für seine Steuererklärung einsetzen werde. § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO schließt insoweit für den Fall einer entgeltlichen Weitergabe, bei der der Gehilfenvorsatz nicht nachweisbar oder es nicht zur Haupttat gekommen ist, eine Lücke. Gelingt hingegen der Nachweis des Gehilfennachweises, verdrängt § 370 AO gem. § 21 OWiG den § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
2.2.1.4 Taterfolg
Rz. 27
Durch das In-Verkehr-Bringen der Belege muss der Täter eine Steuerverkürzung etc. "ermöglichen", sodass eine abstrakte Gefährdung des (inländischen) Steueranspruchs vorliegen muss (vgl. Rz. 6 und 14). Fehlt diese Eignung, ist § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar.