Rz. 3

§ 390 Abs. 1 AO wiederholt für das Strafverfahren wegen Steuerstraftaten eine allgemeine verfahrensrechtliche Zuständigkeitsregelung[1], wonach der Strafverfolgungs- bzw. Verwaltungsbehörde der Vorzug gebührt, die das Verfahren zuerst begonnen hat.

Für die Bestimmung der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO kommt es darauf an, dass dieselbe Straftat im strafprozessualen Sinn nach § 264 StPO gegeben ist.[2]

 

Rz. 4

§ 390 AO findet nach seinem Wortlaut dann Anwendung, wenn wegen dieser Straftat bei jeder zuständigen Finanzbehörde ein Strafverfahren anhängig, d. h. eingeleitet, ist. Dies heißt im Umkehrschluss, dass die Zuständigkeit bei verschiedenen Straftaten bei den originär zuständigen Finanzbehörden verbleibt. Ist bei einer der konkurrierenden Finanzbehörden wegen der Tat ein Bußgeldverfahren[3] anhängig, so wird hierdurch die Strafverfolgungszuständigkeit der betreffenden Finanzbehörde nicht begründet.[4] Im Übrigen gilt § 390 AO im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten nach § 410 Abs. 1 Nr. 1 AO entsprechend.

[2] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 390 AO Rz. 17; Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 390 AO Rz. 9; Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 390 AO Rz. 9.
[4] S. für das Verhältnis Straf- und Bußgeldverfahren § 21 OWiG; vgl. Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 390 AO Rz. 15; Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 390 AO Rz. 17; Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 390 AO Rz. 13 ab Überleitung des Bußgeldverfahrens in ein Strafverfahren; a. A. insgesamt Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 390 AO Rz. 11.

2.1 Rechtsstellung der sonst zuständigen Finanzbehörde

 

Rz. 5

Der Wortlaut des § 390 Abs. 1 AO zeigt, dass die hiernach vorgenommene Bestimmung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit die Rechtsstellung der sonst zuständigen Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO unberührt lässt. Der nach § 390 Abs. 1 AO bestimmten Finanzbehörde gebührt nur der Vorzug vor den übrigen Finanzbehörden hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung der Ermittlungen. Die übrigen Finanzbehörden behalten ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit, allerdings sind sie zu weiteren aktiven Ermittlungshandlungen nicht verpflichtet. Die aus dem Legalitätsprinzip[1] resultierende Verfolgungspflicht ruht.[2] Die übrigen Finanzbehörden haben aber weiterhin das Recht und die Pflicht zur Sachverhaltserforschung und zur Anordnung unaufschiebbarer Maßnahmen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Sofern die übernehmende Finanzbehörde ihre Ermittlungen einstellt, lebt die Pflicht zur Weiterführung der Ermittlungen bei den übrigen Finanzbehörden wieder auf, sofern die Einstellungsgründe nicht auch diese Steuerstraftaten betreffen.[3]

[2] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 390 AO Rz. 4; Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 390 AO Rz. 5; Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 390 Rz. 1.

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