Rz. 16
Nach § 393 Abs. 1 AO darf die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren keine Zwangsmittel i. S. v. § 328 AO gegen einen Stpfl., der sich der Gefahr der Selbstbelastung aussetzen würde, anwenden, um die Willensbildung des Stpfl. zu beeinflussen und ihn zur Erfüllung seiner steuerlichen Mitwirkungspflichten in seinem Besteuerungsverfahren anzuhalten.
Rz. 16a
Zwangsmittel i. S. v. § 393 Abs. 1 AO sind nach der eindeutigen gesetzlichen Aussage ausschließlich Zwangsgeld bzw. Ersatzzwangshaft, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang. Zur Anwendung gehört bereits die schriftliche Androhung des Zwangsmittels nach § 332 AO.
Rz. 16b
Die Verpflichtung zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO wird durch das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 S. 2 AO nicht berührt.
Rz. 16c
Auch die Steuerfestsetzung im Weg der Schätzung nach § 162 AO (s. Rz. 14) ist kein Zwangsmittel i. d. S. Bei Verletzung der Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren sind die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO zu schätzen.
§ 393 Abs. 1 AO schützt den Stpfl. nicht vor den steuerlichen Folgen einer nachteiligen Schätzung. Diese darf allerdings nicht zu einer wissentlich überhöhten "Strafschätzung" werden. Im Rahmen einer solchen Schätzung ist die Finanzbehörde jedoch befugt, sich an der oberen Grenze des für den Einzelfall zu beachtenden Schätzungsrahmens auszurichten.
Rz. 16d
Die Setzung einer Ausschlussfrist nach § 364b AO ist kein Zwangsmittel i. d. S.
Rz. 16e
Kein Zwangsmittel i. S. v. § 393 AO ist ein Verspätungszuschlag nach § 152 AO.
Rz. 16f
Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO ist ebenfalls kein Zwangsmittel i. S. d. § 328 AO. Allerdings ist bei der gebotenen Ermessensausübung zu berücksichtigen, inwieweit das Verzögerungsgeld in seiner Wirkung einem Zwangsmittel derartig gleichsteht, dass allein eine Ermessensreduzierung auf null in Betracht kommt. Sofern der Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat besteht, ist dies regelmäßig der Fall. Dann ist das Verzögerungsgeld wie ein Zwangsmittel i. S. d. § 328 AO zu betrachten und damit grundsätzlich nicht mit dem Selbstbelastungsverbot vereinbar. Da die Androhung eines Verzögerungsgeldes keinen Verwaltungsakt darstellt, ist dies kein unzulässiges Zwangsmittel.
Rz. 16g
Enbenfalls kein Zwangsmittel i. S. d. § 393 Abs. 1 AO ist der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO. Danach ist bei einer verspätet oder unzureichend vorgelegten Verrechnungspreisdokumentation ein Zuschlag festzusetzen. Selbst wenn der Finanzbehörde kein Ermessen bei der Festsetzung dem Grunde nach zusteht, geht es bei dem Zuschlag um eine Geldleistung für die nicht rechtzeitige Erfüllung steuerlicher Pflichten. Im Einzelfall kann allerdings das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung einen Grund für die Nichterfüllung darstellen, sodass von der Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 S. 6 abzusehen ist.