Rz. 1
§§ 406, 407 AO regeln die Rechtsstellung der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO im strafgerichtlichen Verfahren in Steuerstrafsachen, also im Zwischen- und im Hauptverfahren. Hierbei trifft § 407 AO die grundsätzliche Regelung der Rechtsstellung, während § 406 AO von der Gesetzessystematik her eine Sonderregelung darstellt, die die finanzbehördliche Rechtsstellung in diesem Fall erweitert. Ohne die Regelung in § 406 AO endete die Zuständigkeit der Finanzbehörde mit der Stellung des Strafbefehlsantrags nach § 400 AO bzw. mit dem Antrag auf Anordnung von Nebenfolgen nach § 401 AO.
Rz. 1a
Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO nimmt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gem. §§ 399-401 AO die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr, wenn und solange sie das Ermittlungsverfahren gem. § 386 Abs. 2 AO selbstständig führt. Sie hat allerdings nur eine eingeschränkte Kompetenz zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens. Diese Abschlusskompetenz besteht in der Befugnis
- zur Verfahrenseinstellung,
- zum Absehen von Strafe in bestimmten Fällen,
- zur Stellung eines Strafbefehlsantrags, der die Anklageschrift ersetzt. Der Abschluss des Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 1 StPO durch Anklageerhebung in der Form einer Anklageschrift ist demgegenüber der Staatsanwaltschaft vorbehalten. Die Finanzbehörde muss hierfür gem. § 386 Abs. 4 S. 1 AO das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgeben. Dementsprechend kommen Absprachen nach § 257c StPO mit der Finanzbehörde nicht in Betracht, sondern bleiben der Staatsanwaltschaft vorbehalten.
Ergänzend zu § 400 AO belässt § 406 Abs. 1 AO der Finanzbehörde ihre staatsanwaltschaftliche Rechtsstellung im gerichtlichen Zwischenverfahren bis zum Einspruch des Beschuldigten gegen den erlassenen Strafbefehl bzw. bis zur Ablehnung des Strafbefehlsantrags des Gerichts durch Anberaumung der Hauptverhandlung. Eventuelle Aufträge des Gerichts zur Nachermittlung des Sachverhalts richten sich daher direkt an die Finanzbehörde, die sich zur Erfüllung wiederum der Steuerfahndung bedienen kann.
Rz. 1b
Entsprechendes gilt für die Rechtsstellung der Finanzbehörde im objektiven Verfahren nach § 401 AO. Ergänzend hierzu bewirkt § 406 Abs. 2 AO den Fortbestand der staatsanwaltschaftlichen Rechtsstellung im gerichtlichen Verfahren, mit der Folge, dass Aufträge des Gerichts zur Nachermittlung des Sachverhalts an die Finanzbehörde zu richten sind.
Rz. 1c
Durch Erlass des Strafbefehls durch das Gericht und die Rechtskraft nach § 410 StPO kann das Strafverfahren auf diesem Weg mit einer rechtskräftigen Bestrafung enden, ohne dass die Staatsanwaltschaft beteiligt worden ist. Das entspricht dem Wunsch des Gesetzgebers, in der Praxis in vielen Fällen der steuerlichen "Kleinkriminalität", für deren Aburteilung das vereinfachte Strafbefehlsverfahren gedacht ist, die Finanzbehörde voll anstelle der Staatsanwaltschaft tätig sein zu lassen und diese insoweit zu entlasten.
Rz. 1d
Entsprechendes gilt für die Anordnung der Nebenfolgen Einziehung und Bußgeld gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen im selbstständigen Verfahren, für die die Finanzbehörden nach § 401 AO anstelle der Staatsanwaltschaft das Antragsrecht haben .