1 Allgemeines
Rz. 1
§§ 406, 407 AO regeln die Rechtsstellung der Finanzbehörde im strafgerichtlichen Verfahren in Steuerstrafsachen, also im Zwischen- und im Hauptverfahren.
Hierbei trifft § 407 AO die grundsätzliche Regelung, die hier eingeräumten Rechte werden erweitert durch § 406 AO im Strafbefehlsverfahren und im "selbstständigen" Verfahren.
Das zur Ausübung der Mitwirkungsrechte gebotene Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörde ist in § 395 AO geregelt.
Im Bußgeldverfahren ist § 407 AO gemäß § 410 Abs. 1 Nr. 11 AO entsprechend anzuwenden. Wegen des spezielleren Regelungscharakters kann in Fällen von Steuerordnungswidrigkeiten von einer Beteiligung der Finanzbehörde nicht nach § 76 Abs. 2 OWiG Abstand genommen werden.
2 Beteiligungsrechte der Finanzbehörde im gerichtlichen Verfahren (Abs. 1)
Rz. 1a
§ 407 Abs. 1 AO führt den vom Beginn des Ermittlungsverfahrens durchlaufenden Gedanken im gerichtlichen Verfahren fort, dass möglichst die besondere Sachkunde der Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren nutzbar gemacht werden soll. Die Verantwortung für die Anklage im gerichtlichen Verfahren verbleibt bei der Staatsanwaltschaft.
Da die Notwendigkeit des Einsatzes dieser Sachkunde im Einzelfall meist nur von der Finanzbehörde selbst beurteilt werden kann, verpflichtet § 407 Abs. 1 S. 1 AO das Gericht allgemein, der Finanzbehörde Gelegenheit zu geben, die nach ihrer Auffassung für die richterlichen Entscheidungen bedeutsamen Gesichtspunkte vorzutragen. Diese Verpflichtung des Gerichts wird in den folgenden Sätzen der Vorschrift konkretisiert. Unberührt von § 407 AO bleibt das Recht des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 1 StPO zur Verhandlungsleitung.
2.1 Vorbringen bedeutender Gesichtspunkte (Abs. 1 S. 1)
2.1.1 Finanzbehörde
Rz. 2
Zu beteiligen ist die nach §§ 387–390 AO sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO, die das Ermittlungsverfahren selbstständig durchgeführt und abgeschlossen hat. Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren geführt, so ist zu beteiligen die "sonst zuständige" Finanzbehörde i. S. v. § 402 Abs. 1 AO, die Trägerin der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bestehenden Beteiligungsrechte ist.
Die Steuer- bzw. Zollfahndung hat dagegen kein besonderes Beteiligungsrecht im gerichtlichen Steuerstrafverfahren, ihre Amtsträger kommen aber als Zeugen in Betracht.
Eine Vernehmung als Sachverständige scheidet dagegen grundsätzlich aus, da das Gericht das Recht selbst anzuwenden hat.
Rz. 2a
Die Finanzbehörde hat die gesetzlich eingeräumten Rechte als Organ der Rechtspflege auszuüben. Das Beteiligungsrecht besteht kraft Gesetzes. Das Gericht hat die Rechtspflicht, die Beteiligung zu ermöglichen. Ihm ist insoweit kein Ermessensspielraum eingeräumt. Auf die Auswahl des die Rechtsstellung ausübenden Amtsträgers hat weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht Einfluss. Seine Bestimmung erfolgt im Rahmen der Organisationsgewalt der Finanzbehörde. Er braucht keine Befähigung zum Richteramt zu haben, es kann sich also um einen Vertreter des gehobenen Dienstes handeln.
Rz. 2b
Für die Auslegung des § 407 AO und damit der Gestaltung der finanzbehördlichen Rechtsstellung im strafgerichtlichen Verfahren ist zu beachten, dass die Finanzbehörde ursprünglich Nebenkläger im Verfahren war und nach den Entwürfen diese Stellung behalten sollte. Allerdings verfügt die Finanzbehörde nach dem aktuellen Strafprozessrecht nicht über die für einen Nebenkläger üblichen Rechte. Daher ist sie als Nebenbeteiligte eigener Art zu betrachten. Damit gelten für sie nicht die besonderen strafprozessualen Rechte des Nebenklägers aus der StPO. Vielmehr sind für die Finanzbehörde die besonderen Regelungen der AO anwendbar, sowie die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren i. S. d. § 385 Abs. 1 AO.
§ 397 StPO kann für die Inhaltsbestimmung grundsätzlich insoweit entsprechend angewendet werden mit dem Unterschied, dass
- die Finanzbehörde kein Antragsrecht hat. Sie hat lediglich die Befugnis, Anregungen und Empfehlungen zu geben sowie Bedenken zu äußern.
- die Finanzbehörde kein Rechtsmittel einlegen kann.
Hierfür ist allein die Staatsanwaltschaft zuständig.
Rz. 2c
Die Finanzbehörde hat ein gesetzliches Mitwirkungsrecht. Die Finanzbehörde hat nach der AO keine Pflicht zur Beteiligung. Weder das Gericht noch der Angeschuldigte bzw. Angeklagte haben einen Rechtsanspruch darauf, dass sich die Finanzbehörde beteiligt. Umgekehrt besteht kein Anspruch des Angeklagten – oder eines Nebenbeteiligten – auf Ausschl...