Rz. 40

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes[1] macht eine Ermessensentscheidung grundsätzlich fehlerhaft. Ermessensentscheidungen müssen gleichmäßig ergehen, wenn sie vielfach für gleichgelagerte Sachverhalte erlassen werden. Allerdings ist es im Bereich einer Massenverwaltung wie der Finanzverwaltung nicht immer möglich, solche Sachverhalte von verschiedenen Behörden gleich oder wenigstens ähnlich entscheiden zu lassen. Deswegen sind in den verschiedenen Steuerbereichen allgemeine ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften[2] ergangen, z. B. die BpO, die Vollstreckungsanweisung, die Vollziehungsanweisung, Richtlinien und andere Verwaltungsanweisungen wie Erlasse und Verfügungen. Diese Regelungen zur Ermessensvereinheitlichung enthalten auch die bundeseinheitlich ergehenden gleichlautenden Ländererlasse über Steuererklärungsfristen sowie vor allem die EStR.

 

Rz. 41

Haben sich die Finanzbehörden für die Ausübung ihres Ermessens derartige Verwaltungsvorschriften erlassen, kann sich daraus aufgrund Art. 3 Abs. 1 GG eine Selbstbindung der Verwaltung ergeben.[3] Diese begründet grundsätzlich einen Rechtsanspruch des Stpfl. auf Beachtung der Verwaltungsvorschrift.[4] Derartige das Verwaltungsermessen bindende Verwaltungsvorschriften sind im Rahmen des § 102 FGO auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten.[5]

 

Rz. 42

Bindungswirkung entfalten diese Verwaltungsregelungen allerdings nur, sofern sie rechtmäßig sind, also insbesondere sachgerechter Ermessensausübung entsprechen.[6] Ist eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift rechtswidrig, so vermittelt der Gleichheitssatz[7] keinen Rechtsanspruch auf Beachtung (kein Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht").[8]

 

Rz. 43

Die Abweichung von einer einschlägigen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift ist ausnahmsweise bei atypischen Sachverhalten zulässig und ggf. auch geboten.[9] Die für diese Abweichung maßgebenden Erwägungen müssen sachgerechter Ermessensausübung entsprechen und bedürfen der Begründung.[10]

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