Dr. Zacharias-Alexis Schneider
1 Inhalt der Ausschlusswirkung
1.1 Befangenheitsvermutung
Rz. 1
Durch den Ausschluss von Amtsträgern von der Mitwirkung im Verfahren der Finanzbehörde soll gewährleistet werden, dass seitens der Behörde das Verwaltungsverfahren sachlich und unvoreingenommen geführt wird. Es sollen diejenigen Personen von der Mitwirkung ausgeschlossen werden, bei denen die Möglichkeit bestehen könnte, dass sie sich durch sachfremde Erwägungen in ihren Entscheidungen beeinflussen lassen. Jeglicher Anschein, dass der Amtsträger Eigeninteressen wahrnehmen könnte, soll vermieden werden. Dieser Anschein könnte bei einer Verfahrensmitwirkung in den in § 82 Abs. 1 AO genannten Fällen entstehen. Die Vorschrift bringt demgemäß eine unwiderlegliche Vermutung der Befangenheit des Amtsträgers oder des Ausschussmitglieds. Ohne Bedeutung ist, ob im konkreten Fall das Verhalten tatsächlich Anlass für die Besorgnis gibt.
Die Aufzählung der Ausschlussgründe ist nach h. M. abschließend.
1.2 Mitwirkungsverbot
1.2.1 Ausgeschlossene Personen
Rz. 2
Nach § 82 Abs. 1 AO darf in einem bestimmten Verwaltungsverfahren für eine Finanzbehörde der Finanzbehörde nicht tätig werden oder, wie es § 83 Abs. 1 S. 1 AO formuliert, hat sich der Mitwirkung zu enthalten, der die Voraussetzungen des § 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–6 AO sowie des § 82 Abs. 1 S. 2 AO erfüllt. Dieses Verwaltungsverfahren wird durch die Person des – zu schützenden – Beteiligten konkretisiert. Dies ist nach § 78 AO vornehmlich derjenige, an den die Finanzbehörde in seiner eigenen Steuerangelegenheit (Vor §§ 82–84 AO Rz. 1) einen Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat (§ 78 AO Rz. 19).
Dieses Verwaltungsverfahren muss anhängig i. S. v. § 86 AO sein, für die Ablehnung eines Amtsträgers in einem erst künftigen Verfahren besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.
Rz. 2a
Ausgeschlossen von der Mitwirkung sind alle Amtsträger i. S. v. § 7 AO der das Verfahren führenden Finanzbehörde, sofern sie konkret in dem Verfahren tätig werden (Rz. 3).
1.2.2 Tätigwerden im Verwaltungsverfahren
Rz. 3
Nach § 82 Abs. 1 AO darf der betroffene Amtsträger in keinem Stadium des jeweiligen Verwaltungsverfahrens mehr tätig werden.
Das Verbot des Tätigwerdens ist weit zu fassen. Es erstreckt sich auf jede Art von – aktiver – Mitwirkung im Entscheidungsprozess, sei es in der Entscheidungsvorbereitung bei der Sachverhaltsermittlung, auch im Außenprüfungsverfahren, sei es in der Durchführung der Entscheidung einschließlich der Beitreibung des Steueranspruchs. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Amtsträger nach außen auftritt und befugt ist, eine abschließende Entscheidung zu treffen und diese ggf. zu unterzeichnen. Tätigwerden i. d. S. wäre auch die Ausübung eines fachlichen Weisungsrechts.
Demgegenüber kann eine Besorgnis der Befangenheit nicht eintreten, wenn der Amtsträger nur mit dienstlichen Vorgängen befasst ist, in denen ein Entscheidungsspielraum nicht besteht, etwa in rein technischer, von einer Willensbildung unabhängigen Abwicklung. Die bloße Kenntnisnahme von Verwaltungshandlungen durch einen Amtsträger wird durch § 82 AO nicht gehindert.
1.3 Einschränkung des Mitwirkungsverbots
Rz. 4
Nach § 82 Abs. 2 AO gilt das Mitwirkungsverbot nicht, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigt würde. Der nach § 82 AO kraft Gesetzes ausgeschlossene Amtsträger darf bei Gefahr im Verzug unaufschiebbare Maßnahmen treffen. Entsprechende Vorschriften finden sich in § 21 Abs. 3 VwVfG, § 29 StPO, § 47 ZPO. Hier muss das Schutzbedürfnis des Beteiligten (Vor §§ 82–84 AO Rz. 4) hinter dem Interesse an der Handlungsfähigkeit der Verwaltung (Vor §§ 82–84 AO Rz. 3) zurücktreten. Eine derartige Ausnahmesituation ist gegeben, wenn ohne die Handlung des Amtsträgers die Rechtsposition der Finanzbehörde unwiederbringlich beeinträchtigt wäre, z. B. wenn anderenfalls Beweismittel verloren oder Fristen versäumt wären bzw. eine Gefährdung des Steueranspruchs die Anordnung eines dinglichen Arrests (§ 324 AO) erforderlich machen würde.