Rz. 1

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs v. 18.6.2003[1] dienen §§ 11 und 12 StraBEG der Rechtssicherheit und der Herstellung des Rechtsfriedens. § 11 StraBEG regelt eine besondere strafrechtliche Verfolgungsverjährung. Demnach können strafbare Steuerhinterziehungen i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG und Steuerordnungswidrigkeiten nach § 6 StraBEG, die sich auf die abschließend aufgezählten, vor dem 1.1.1993 entstandenen Ansprüche beziehen, nach dem 31.12.2003 nicht mehr verfolgt werden, wenn eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben wurde. Unerheblich ist, ob die strafbefreiende Erklärung vollständig ist, d. h. alle zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG enthält[2]. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 12 StraBEG ist aber, dass eine wirksame strafbefreiende Erklärung vorliegt[3].

Die besondere Verfolgungsverjährung gilt auch dann, wenn die Tat oder Handlung i. S. d. § 6 StraBEG sich zwar auf eine vor dem 1.1.1993 entstandene Steuer bezieht, aber erst nach dem 31.12.1992 begangen worden ist[4]. Wegen des Zeitpunkts der Begehung vgl. § 1 StraBEG Rz. 12. Wegen des Zeitpunkts der Entstehung der Steueransprüche vgl. Tormöhlen/Klepsch, wistra 2003, 362, 364.

 

Rz. 2

In Ergänzung zu § 11 StraBEG regelt § 12 StraBEG eine besondere Festsetzungsverjährung. § 12 StraBEG geht insofern §§ 169171 AO als Sondervorschrift vor (Seer, in T/K, AO, § 12 StraBEG Rz. 1). Für die Jahre vor 1993 gelten die dort genannten Ansprüche als erloschen, soweit sie der zuständigen Finanzbehörde bei Eingang einer wirksamen strafbefreienden Erklärung noch nicht bekannt waren. Wie bei § 11 StraBEG gilt dies selbst dann, wenn sich später herausstellt, dass diese Erklärung unvollständig war.

 

Rz. 3

Steueransprüche, die der zuständigen Finanzbehörde vor Eingang der (vollständigen oder unvollständigen) strafbefreienden Erklärung schon bekannt waren, bleiben von der Vorschrift des § 12 StraBEG unberührt. Damit soll verhindert werden, dass schon laufende Verfahren, d. h. Festsetzungs-, Straf- oder Finanzgerichtsverfahren, vom Stpfl. zu seinen Gunsten mit einer strafbefreienden Erklärung beendet werden können. Zur Kenntnis der Finanzbehörde, wenn zeitgleich eine Selbstanzeige abgegeben wurde, FG Köln v. 17.3.2005, 12 V 96/05, DStRE 2006, 1031.

 

Rz. 4

Für die strafrechtliche Verfolgungsverjährung hat § 11 StraBEG kaum Bedeutung, da Taten vor dem 1.1.1993 in aller Regel strafrechtlich verjährt sein dürften. In steuerlicher Hinsicht kann wegen der bei Hinterziehung auf 10 Jahre verlängerten Festsetzungsfrist allerdings eine Erlöschenswirkung eintreten. Bei der ErbSt und SchenkungSt beginnt die Festsetzungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker verstorben ist bzw. das FA Kenntnis von der Schenkung[5] oder der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb von Todes wegen erlangt hat[6]. Hier kann der Steuerhinterzieher die Festsetzung bzw. auch ganz erhebliche Zinszahlungen durch Erklärung von Minimalbeträgen zu den betreffenden Steuerarten[7] vermeiden (Joecks/Randt, Steueramnestie, Rz. 303; Joecks, in F/G/J, Steuerstrafrecht, § 11 StraBEG Rz. 2).

Nach dem von Schwedhelm/Spatschek, DStR 2004, 109, 115 gebildeten Beispiel führt dies zu folgender Konsequenz: Wer im Amnestiezeitraum 1993 bis 2002 geringfügig Steuern hinterzogen hat und nunmehr deswegen eine strafbefreiende Erklärung abgibt, erreicht damit Straf- und nach § 12 StraBEG Steuerfreiheit für die gesamten Zeiträume vor 1993, also z. B. auch für eine Millionen-Schenkung in 1992.

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