Rz. 22
Nur eine ordnungsgemäße Buchführung kann eine Beweiswirkung (s. Rz. 11) erreichen. Kommt der Stpfl. seinen Verpflichtungen zur Buchführung, Aufzeichnung, Aufbewahrung und Vorlage nicht oder nur so fehlerhaft nach, dass die Beweisfunktion (s. Rz. 11) entfällt, kann die Finanzbehörde eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 Abs. 2 S. 2 AO vornehmen. Besteuerungsgrundlagen sind insbesondere dann zu schätzen, wenn der Stpfl. Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen unvollständig oder formell oder sachlich unrichtig sind. Formelle Buchführungsmängel berechtigen zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Eine Schätzung ist allerdings nur insoweit gerechtfertigt, als Grund für die Annahme besteht, dass das Ergebnis der Buchführung auch sachlich unrichtig ist.
Rz. 23
Bei einer Schätzung sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, die der Finanzbehörde bekannt sind oder im Rahmen verhältnismäßiger Sachaufklärung bekannt sein können. Die Schätzungsbefugnis ist auch dann gegeben, wenn der Stpfl. wissentlich die unzutreffende Art der Gewinnermittlung wählt.
Rz. 24
Diese steuerrechtliche Folge ist dabei unabhängig vom Verschulden des Stpfl. Der objektive Verstoß gegen die Pflichten reicht aus, um die Beweiskraft der Buchführung oder Aufzeichnung (s. Rz. 11) entfallen zu lassen. Die Buchführungsunterlagen und sonstigen Aufzeichnungen sind der Beweisrisikosphäre des Stpfl. zuzurechnen. Da aber bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind, kann ein fehlendes Verschulden beim Verlust der Unterlagen ein solcher besonderer Umstand des Einzelfalls sein.
Rz. 25
Für die Erlangung verschiedener Steuervergünstigungen ist nach der aktuellen Rechtslage allerdings die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht mehr Voraussetzung. Ist die Erlangung von Steuervergünstigungen allerdings von der Führung gesonderter Aufzeichnungen abhängig, so führen das Unterlassen sowie die inhaltliche Unrichtigkeit zur Versagung der jeweiligen Steuervergünstigungen. Wegen der Abhängigkeit der Rücklage für Ersatzbeschaffung von der Bilanzierung vgl. BFH v. 4.2.1999, IV R 57/97, BStBl II 1999, 602. § 63 Abs. 3 AO setzt Aufzeichnungen im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts voraus. Die Körperschaft hat den Nachweis, dass ihre tatsächliche Geschäftsführung den Erfordernissen entspricht, durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben zu führen.
Rz. 26
Die Erfüllung der laufenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht kann insbesondere durch Zwangsmittel nach §§ 328ff. AO erzwungen werden, nicht jedoch die nachträgliche Erstellung der Buchführung oder Aufzeichnung. § 146 AO ist allerdings eine Ordnungsvorschrift, die nicht vollstreckt werden kann.
Rz. 27
Eine besondere Sanktionsmöglichkeit im Zusammenhang vor allem mit der Verlagerung der elektronischen Buchführung stellt das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2c AO dar. Hiernach kann die Finanzverwaltung gegen Stpfl., die gegen Pflichten im Zusammenhang mit der Verlagerung der elektronischen Buchführung verstoßen haben, ein sog. Verzögerungsgeld von im Einzelfall zwischen 2.500 EUR bis 250.000 EUR festsetzen. Ob und in welchem Umfang darüber hinaus bei anderen Pflichtenverstößen eines Stpfl. ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden darf, wurde nach Schaffung der Bestimmung kontrovers diskutiert. In der Zwischenzeit ist allerdings durch den BFH geklärt, dass ein Verzögerungsgeld auch im Rahmen der Erfüllung von Auskunftspflichten bei steuerlichen Außenprüfungen anwendbar ist, was auch zutreffend ist.