Rz. 25
In § 110 Abs. 2 FGO wird klargestellt, dass auch bei späteren Änderungen eines Verwaltungsakts entsprechend den Regeln der AO, dessen Rechtmäßigkeit in einem rechtskräftigen Urteil behandelt wurde, eine Bindung nur eintritt, soweit der Entscheidungsgegenstand des Urteils reicht. § 110 Abs. 2 FGO ist danach i. S . eines Vorrangs der Rechtskraft gegenüber den Änderungsvorschriften auszulegen. Es ist daher zu untersuchen, ob der Entscheidungsgegenstand sich einerseits auf die Voraussetzungen der Änderungsvorschriften erstreckte und ob er andererseits auch eine rechtliche Beurteilung des der Änderung zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. So kann auch ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid in den Punkten, die bereits einer gerichtlichen Überprüfung unterlagen, nur dann geändert werden, wenn neuer Sachverhalt zu beurteilen ist bzw. nur summarisch geprüft wurde. Berührt der Entscheidungsgegenstand die Änderungsvoraussetzungen und die zur Änderung führenden Besteuerungsgrundlagen nicht, steht die Rechtskraft einer Änderung nicht entgegen, wenn im Übrigen die Voraussetzungen nach der AO gegeben sind. Der Berücksichtigung von nach formeller Rechtskraft des ersten Urteils bekannt gewordenen Tatsachen steht die materielle Rechtskraft des die erste Klage wegen Rechtmäßigkeit des Bescheids abweisenden Urteils nur entgegen, wenn derselbe Entscheidungsgegenstand betroffen ist. Für die Änderungsmöglichkeit wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist im Übrigen darauf abzustellen, ob die Tatsachen oder Beweismittel dem FA nach Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind, wobei die Präklusionswirkung der Rechtskraft zu beachten ist.
Rz. 26
Für einen späteren Veranlagungszeitraum können die steuerlichen Konsequenzen gem. § 174 Abs. 4 AO aus einem rechtskräftigen Urteil gezogen werden, ohne dass das FA an die in dem Urteil geäußerte Rechtsansicht gebunden ist. Die Rechtskraft wirkt nur vorbehaltlich der verfahrensrechtlichen Änderungsvorschriften und hindert daher nicht die spätere Änderung eines von der Entscheidung umfassten Verwaltungsakts nach Maßgabe des § 174 AO.
Rz. 27
Hat das FG unter Hinweis auf das "Verböserungsverbot" von einer Änderung des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakts abgesehen, kommt es darauf an, ob es sich bei einer nachfolgenden Änderung nach § 174 Abs. 4 AO um denselben Streitgegenstand handelt. Das finanzgerichtliche Verböserungsverbot begründet im Hinblick auf § 174 Abs. 4 AO kein allgemeines "Änderungsverbot". Es besagt lediglich, dass eine Schlechterstellung des Klägers bezogen auf die mit der Klage angegriffene Steuerfestsetzung durch das FG verboten ist. Handelt es sich um denselben Streitgegenstand, ist eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO jedoch nicht möglich.
Rz. 28
Eine Änderung ist ferner möglich, wenn verschiedene Streitjahre betroffen sind. Ist zwischen den Beteiligten für ein bestimmtes Streitjahr ein Urteil ergangen, entfaltet dies für andere Streitjahre keine Rechtskraftwirkung.