Rz. 3

Ordnungs- und Zwangsmittel nach Abs. 1 S. 1 während des Verfahrens können sein:

  • Ordnungsgeld gegen schuldhaft ausgebliebene Beteiligte, deren persönliches Erscheinen angeordnet war[1];
  • Ordnungsgeld oder Ordnungshaft gegen nicht erschienene, nicht aussagebereite oder nicht eideswillige Zeugen und Sachverständige wegen Verweigerung des Gutachtens[2];
  • Ordnungsgeld gegen einen Sachverständigen, der die Frist zur Erstattung des schriftlichen Gutachtens versäumt hat[3];
  • Ordnungsgeld gegen einen unentschuldigt nicht zur Sitzung erschienenen oder sich auf andere Weise seinen Verpflichtungen entziehenden ehrenamtlichen Richter[4];
  • Ordnungsmaßnahmen nach § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 176ff. GVG, die auch nicht am Verfahren Beteiligte betreffen können (sitzungspolizeiliche Maßnahmen wie Entfernen von Personen aus dem Sitzungszimmer, Ordnungsgeld und Ordnungshaft zur Aufrechterhaltung der Ordnung).
 

Rz. 4

Nach Abs. 2 bleiben §§ 178, 181 Abs. 2 GVG unberührt.

§ 178 GVG betrifft sitzungspolizeiliche Maßnahmen wegen ungebührlichen Verhaltens "in der Sitzung", d. h. in der mündlichen Verhandlung (Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft). Diese müssen zur Aufrechterhaltung der Ordnung sofort vollstreckbar sein, was der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen hat[5]. Deshalb bestimmt § 181 Abs. 2 GVG, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Dadurch kann die Vollstreckung unmittelbar durchgesetzt werden. Zwar bezieht sich § 178 GVG lediglich auf die Verhängung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. § 181 Abs. 2 GVG ist jedoch auf gerichtliche Beschlüsse nach § 177 GVG, der die Entfernung aus dem Sitzungszimmer betrifft, entsprechend anwendbar.

Das bedeutet: Da bereits nach § 181 Abs. 2 GVG in den Fällen der §§ 177, 178 GVG, d. h. bei Ordnungsmaßnahmen in der Sitzung (mündliche Verhandlung), die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, betrifft die Regelung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde in § 131 Abs. 1 S. 1 FGO im Ergebnis nur die Ordnungs- und Zwangsmittel eines einzelnen Richters bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der mündlichen Verhandlung, z. B. Entfernung eines Beteiligten aus dem Sitzungszimmer anlässlich eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter oder bei einer Beweisaufnahme durch den beauftragten oder ersuchten Richter wegen ungebührlichen Verhaltens. Hier verbleibt es bei der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nach § 131 Abs. 1 S. 1 FGO.[6] Die aufschiebende Wirkung tritt mit der Beschwerdeeinlegung ein. Ein zusätzlicher Aussetzungsbeschluss ist nicht erforderlich. Es besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis für ein zusätzliches Verfahren zur Herbeiführung eines Aussetzungsbeschlusses nach § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO.[7]

§ 131 Abs. 2 FGO verweist nicht auf § 177 GVG, der zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der mündlichen Verhandlung die Entfernung aus dem Sitzungszimmer und die Abführung zur Ordnungshaft ermöglicht. Da diese Maßnahmen, um wirksam zu sein, sofort vollstreckbar sein müssen, muss hier der Suspensiveffekt ebenso wie bei den Maßnahmen i. S. v. § 178 GVG entfallen; analoge Anwendung von § 181 Abs. 2 Hs. 1 GVG.[8] Den Beschluss nach § 177 GVG als unanfechtbar anzusehen, widerspräche der Rechtsschutzgarantie.[9]

[2] § 82 FGO i. V. m. §§ 380, 390, 409 ZPO.
[7] BFH v. 6.8.2020, VII S 32/20 (AdV), BFH/NV 2020, 1296.
[8] Rüsken, in Gosch, AO/FGO § 131 FGO Rz. 4; Bergkemper, in HHSp, AO/FGO, § 131 FGO Rz. 7.
[9] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 131 FGO Rz. 6.

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