Rz. 75
Darüber hinaus kann nur ein objektiv rechtswidriger Verwaltungsakt eine Rechtsverletzung auslösen. Denn nach § 100 Abs. 1 S. 1 FGO setzt eine gerichtliche Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts voraus, dass dieser (objektiv) rechtswidrig ist und der Kläger dadurch (subjektiv) – mithin kausal – in seinen Rechten verletzt wird. Ein Verwaltungsakt ist objektiv rechtswidrig, wenn sein Ausspruch bzw. Tenor inhaltlich fehlerhaft oder fehlerhaft ergangen ist. Fehlerhaft ist aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG jeder belastende Verwaltungsakt, der keine gesetzliche Grundlage hat oder gegen (auch höherrangige) Rechtsvorschriften verstößt. Auch die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts kann rechtswidrig sein, wenn die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung nicht vorlagen.
Demgegenüber vermag ein rechtmäßiger Verwaltungsakt allenfalls eine wirtschaftliche oder sonstige Beeinträchtigung beinhalten und damit keine Rechtsverletzung im vorgenannten Sinne. Zu den Anforderungen der Geltendmachung der Rechtsverletzung siehe Rz. 93ff. und zur Anfechtung von dem Verwaltungsakt beigefügten Nebenbestimmungen siehe Rz. 25ff.
Rz. 76
Die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschrift können zwar regelmäßig auch eine Rechtsverletzung darstellen. Allerdings bestimmt § 127 AO, dass die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist und keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Daher besteht eine Klagebefugnis in diesen Fällen nur, wenn die Möglichkeit einer anderen Entscheidung in der Sache aufgezeigt wird.
Darüber hinaus können gem. § 126 Abs. 2 AO bestimmte Verfahrenshandlungen i. S. des § 126 Abs. 1 Nr. 2-5 AO bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt und dadurch das zuvor fehlerhafte Verfahren geheilt werden. Insoweit entfällt die Klagebefugnis, wenn während des Klageverfahrens diejenige unterlassene Verfahrenshandlung, wegen der Klage erhoben wurde, vom FA nachgeholt wird. Sofern der beklagten Finanzbehörde eine jederzeitige Heilungsmöglichkeit zusteht oder der Verfahrensfehler nach § 127 AO ohne Bedeutung ist, sollte eine Klage nicht allein auf einen solchen Verfahrensfehler gestützt werden.
Rz. 77
Der Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften kann grundsätzlich keine Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO begründen, weil Verwaltungsvorschriften lediglich Innenrecht der Verwaltung darstellen und weder die Stpfl. noch die FG bindet. Eine Rechtsverletzung kann sich nur aus einer Gesetzesverletzung ergeben.
Nach überwiegender Auffassung sollen aber für sog. Bewertungsrichtlinien und Typisierungsvorschriften (wie z. B. AfA-Tabellen, Richtsätze und Pauschbeträge) etwas anderes gelten, weil die richterliche Erfahrung in der Regel nicht ausreicht, solche Richtlinien zu widerlegen und daher aufwendige Sachverständigengutachten erforderlich seien. Daher wenden auch die FG solche Verwaltungsvorschriften an, soweit sie in ihren Größen vertretbar erscheinen. Typisierungen werden jedenfalls dann nicht von den FG angewendet, wenn dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt. Daher soll sich der Stpfl. in Grenzen auch auf die Verletzung einer solchen Verwaltungsvorschrift berufen können. Insoweit besteht ggf. aber schon eine von den Gerichten zu beachtende sog. Selbstbindung der Verwaltung. Jedenfalls bei Verstößen gegen sog. Ermessensrichtlinien kann aufgrund der sog. Selbstbindung der Verwaltung eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG und damit eine Rechtsverletzung vorliegen, wenn im Einzelfall von dem durch die Verwaltungsvorschrift bestimmten Ermessensspielraum abgewichen wird. Nach Auffassung von Krumm können sich Stpfl. auch auf Verstöße gegen sog. Übergangserlasse oder Übergangsregelungen berufen. Auch bei einem Verstoß gegen eine Übergangsregelung kann der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG betroffen sind. Im Kern wird es jedoch um Billigkeitsregelungen gehen.
Rz. 78
Bei Ermessensentscheidungen ist die Klagebefugnis nur gegeben, wenn geltend gemacht wird, dass die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder die Ermessensausübung nicht dem Zweck der gesetzlichen (Ermessens-)Ermächtigung entspricht.