Rz. 43

Die uneingeschränkte Vertretungsbefugnis besteht nach § 62 Abs. 2 S. 1 FGO für Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte[1], Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, also für den in § 3 Nr. 1 StBerG aufgezählten Personenkreis, der gem. § 2 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Die Vertretungsbefugnis besteht auch für eine Partnerschaftsgesellschaft, deren Partner ausschließlich die in § 3 Nr. 1 StBerG genannten Personen sind, eine Rechtsanwaltsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Buchprüfungsgesellschaft, wenn der gegenüber dem Gericht handelnde gesetzliche Vertreter oder Beauftragte der Personenvereinigung die in § 3 Nr. 1 StBerG genannte Qualifikation besitzt (Rz. 118).

 

Rz. 44

Die Vertretungsbefugnis setzt die bestehende und wirksame Zulassung bzw. Bestellung voraus. Sie besteht, abgesehen von den niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten[2], nur für die Berufsträger, deren Zulassung bzw. Bestellung nach deutschem Recht erfolgt ist[3]. Unerheblich ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung oder Bestellung vorliegen[4]. Maßgeblich ist allein die Zulassung oder Bestellung des Bevollmächtigten. Die Führung einer Kanzlei durch einen Rechtsanwalt ist nicht erforderlich[5].

Die Vertretungsbefugnis besteht, bis auf die Bestellung bzw. Zulassung verzichtet wird[6] bzw. sie widerrufen, zurückgenommen oder ein Berufs- oder Vertretungsverbot verhängt wird[7]. Das Vorliegen von Widerrufs- oder Rücknahmegründen allein hebt die Vertretungsbefugnis nicht auf[8].

 

Rz. 45

Die Zulassung oder Bestellung muss im Zeitpunkt der Vornahme der jeweiligen Prozesshandlung vorliegen. Prozesshandlungen, die vor der Bestellung oder Zulassung bzw. nach deren Erlöschen vorgenommen werden, sind mangels Postulationsfähigkeit unwirksam[9]. Dies gilt auch dann, wenn hinsichtlich des Widerrufs der Zulassung oder Bestellung ein Wiederaufnahmeverfahren anhängig ist[10]. Schriftsätze eines Bevollmächtigten, die nach Bestandskraft des Widerrufs seiner Zulassung bzw. Bestellung beim BFH eingehen, sind unbeachtlich[11].

Prozesshandlungen, die nach der Bestellung bzw. Zulassung, aber vor dem Erlöschen vorgenommen worden sind, bleiben stets wirksam, auch wenn später die Postulationsfähigkeit entfällt[12].

[3] BFH v. 30.12.2004, II R 2/04, BFH/NV 2005, 718 für einen Rechtsanwalt aus Österreich.
[4] BFH v. 13.4.1988, II B 40/88, BFH/NV 1989, 311 für einen Juristen, der den Zulassungsantrag gestellt hat; BFH v. 30.9.2003, V B 108/02, BFH/NV 2004, 79 für einen "Diplom-Finanzwirt"; BFH v. 8.12.2003, X B 76/03, Haufe-Index 1102359 für "Betriebswirte"; BFH v. 23.12.2005, VI B 135/05, BFH/NV 2006, 786 für einen "Volljuristen".
[12] BFH v. 11.4.1975, III R 102, 118/73, BStBl II 1975, 713; BFH v. 3.2.1988, I R 400/83, BFH/NV 1989, 399; BFH v. 22.3.1994, VII R 58/93, BFH/NV 1995, 7; BFH v. 17.2.2003, VII B 234/02, BFH/NV 2003, 1063; BFH v. 31.3.2006, V B 187/05, BFH/NV 2006, 1492; zur Unterbrechung des Verfahrens bei Wegfall der Postulationsfähigkeit s. § 74 FGO Rz. 34; auch BFH v. 21.11.2002, VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485.

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