Rz. 11
Ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss des FG ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, gem. § 17a Abs. 2 S. 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs bindend (sog. aufdrängende Wirkung der Verweisung). D. h. aber auch, dass ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss eines anderen Gerichts durch den dieses Gericht nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG den Rechtsstreit an das FG verwiesen hat, für das FG und gem. § 17a Abs. 5 GVG auch für den BFH als Rechtsmittelinstanz (Rz. 18) selbst dann bindend ist, wenn das FG den Finanzrechtsweg nicht für gegeben hält. Eine Rückverweisung an das verweisende Gericht kommt daher auch bei sachlich fehlerhaften Verweisungsbeschlüssen ebenso wie eine Weiterverweisung auf einen anderen Rechtsweg regelmäßig nicht in Betracht. Deshalb kann eine gesetzeswidrige Rückverweisung auch keine Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG entfalten, weil sie einen offensichtlichen Verstoß gegen die Wirkungen der vorgehenden Rechtswegverweisung darstellt. Der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses kann sich das Gericht, an welches der Rechtsstreit verwiesen worden ist, daher grundsätzlich nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen (Rz. 14ff.) entziehen. Deshalb hat das FG insoweit aufgrund der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach seiner eigenen Verfahrensordnung auch über eine ansonsten rechtswegfremde Rechtsfrage zu entscheiden. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, dürfte eine – regelmäßig deklaratorische – Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten sein, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der infrage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist.
Rz. 12
Der Umfang der Bindungswirkung bestimmt sich nach dem Verweisungsbeschluss und bezieht sich daher nur auf das jeweilige Verfahren.
Durch einen Beschluss, mit dem ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung verwiesen worden ist, wird ein bereits anhängiges oder ein später anhängig werdendes Hauptsacheverfahren jedoch nicht berührt; eine erweiterte Bindungswirkung tritt nicht ein. Allerdings erstreckt sich die Bindungswirkung nach der Verweisung der Hauptsache auch auf die hiermit im Zusammenhang stehenden unselbständigen Nebenverfahren.
Die Bindungswirkung einer Rechtswegverweisung erstreckt sich auch nicht auf die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit i. S. des §§ 35–39 FGO innerhalb der Finanzgerichtsbarkeit. Soweit aber das verweisende FG als zwingende Vorfrage zur Feststellung seiner örtlichen Unzuständigkeit den Finanzrechtsweg ausdrücklich bejaht, wird das von ihm für örtlich zuständig erachtete FG auch in Bezug auf den Finanzrechtsweg gebunden. Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen zu Rz. 27-28 verwiesen.
Rz. 13
Die Bindungswirkung entfällt allenfalls, wenn nach zulässiger Klageänderung ein neuer Streitgegenstand zu beurteilen ist (Rz. 5) oder wenn sich nach der Verweisung der wesentliche rechtliche Inhalt des Rechtsstreits verändert. Hierzu zählt auch die Verweisung bei Haupt- und Hilfsanträgen. Die Bindungswirkung erfasst nur den Hauptanspruch, wegen dem verwiesen wurde. Erst wenn hierüber (negativ) entschieden wurde, kann über den Hilfsanspruch entschieden und folgerichtig erneut verwiesen werden.
Rz. 14
Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschluss tritt allerdings insgesamt nicht ein, wenn die Verweisung dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruht und damit unter Berücksichtigung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
In einem solchen Fall darf das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, selbst an das verweisende Gericht bindend zurückverweisen. Aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes wäre insoweit aber anstelle der Zurückverweisung eine Entscheidung aufgrund des negativen Kompetenzkonflikts durch den BFH gem. § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO in Betracht zu ziehen. Das verweisende Gericht dürfte allerdings seinen fehlerhaften Verweisungsbeschluss nicht mehr von Amts wegen aufheben oder abändern können. Der Kläger bzw. Antragsteller selbst kann bei willkürlicher Entscheidung gegen den Verweisungsbeschlu...