Rz. 97
Das selbstständige Beweisverfahren dient der Vorbereitung und beweismäßigen Vereinfachung des Hauptsacheverfahrens außerhalb des eigentlichen, auf ein Urteil gerichteten Prozesses. Auf Antrag kann vor Rechtshängigkeit, im rechtshängigen Verfahren auch von Amts wegen, ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt werden. Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, verzichtet das selbstständige Beweisverfahren für den Sachverständigenbeweis auf das Tatbestandsmerkmal des drohenden Beweisverlustes.
Rz. 98
Möglich sind im selbstständigen Beweisverfahren nur Augenscheinseinnahme, Zeugen- oder Sachverständigenbeweis, nicht dagegen andere Beweismittel wie Beteiligtenvernehmung oder Urkundsbeweis. Zuständig ist das FG. Der Antrag muss sämtliche in § 487 ZPO geforderten Inhalte enthalten. Es besteht eine entsprechende Hinweispflicht durch das Gericht. Der Gegner ist regelmäßig zu laden. Unterbleibt die Ladung, vgl. § 493 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über den Antrag steht im Ermessen des Gerichts. Stimmt das FA einem vom Kläger beantragten Beweisverfahren nicht zu, darf das FG ein Beweisverfahren nur anordnen, wenn ein Verlust oder eine erschwerte Benutzung der vom Kläger benannten Beweismittel droht. Ein selbstständiges Beweisverfahren kann ohne Zustimmung des Prozessgegners nicht schon deshalb durchgeführt werden, weil allgemein die Gefahr besteht, dass mit fortschreitendem Zeitablauf die Erreichbarkeit von Auskunftspersonen erschwert wird oder deren Erinnerung verblasst. Erforderlich ist vielmehr, dass aus im Einzelfall vorliegenden Gründen eine Erschwerung der Beweisführung konkret zu befürchten ist. Ein drohender Beweisnachteil ist z. B. anzunehmen bei einer schweren und lebensgefährlichen Erkrankung oder einer längeren Auslandsreise eines Zeugen oder der drohenden Veränderung bzw. des Untergangs einer Sache. Ein Beweisverlust kann auch wegen Krankheit, hohen Alters oder zu erwartender Unerreichbarkeit von Zeugen zu besorgen sein. Einspruchsführer sollten prüfen, ob ein selbstständiges gerichtliches Beweisverfahren in Betracht kommt, solange der Zeuge sich im Inland aufhält.
Rz. 99
Gegen den ablehnenden Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Der stattgebende Beschluss ist als Beweisbeschluss nicht anfechtbar.
Rz. 100
§ 82 FGO verweist nur auf §§ 450 bis 494 ZPO und nicht auf § 494a ZPO. § 494a ZPO ist nicht im finanzgerichtlichen selbstständigen Beweisverfahren anwendbar, auch nicht über § 155 FGO. Zwar soll das selbstständige Beweisverfahren nicht allein der ausschließlichen außerprozessualen Ausforschung von Tatsachen dienen. Es besteht jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren keine Notwendigkeit, § 494a ZPO anzuwenden. § 494a ZPO ermöglicht einen Kostenausgleich für den Gegner, wenn kein Hauptsacheprozess geführt wird, bei dem die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in die Kostenentscheidung einzubeziehen sind. Ist der Stpfl. der Antragsteller, hat er die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens (ohne Hauptsacheprozess) zu tragen. Dem FA als Gegner sind die Aufwendungen jedoch nicht zu erstatten. Ist das FA der Antragsteller, so kann ihm nicht auferlegt werden, Klage zu erheben, da das finanzgerichtliche Verfahren dem Rechtsschutz des Stpfl. dient.