Rz. 19

Erst durch den Bundestags-Finanzausschuss wurde in die Vorschrift auch die kurzfristige Vermietung von Campingflächen aufgenommen. Das ist gem. Art. 98 Abs. 2 i. V. m. Anhang III Nr. 12 MwStSystRL unionsrechtlich erlaubt. Der Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes hatte dies noch nicht vorgesehen. Damit sollen diese – regelmäßig preiswerteren – Tourismusangebote nicht höher besteuert werden als Hotelumsätze. Offensichtlich wollte der Gesetzgeber nicht nur die Touristen begünstigen, die sich statt des Campings Hotels oder Pensionen leisten können oder wollen.

 

Rz. 20

Unter Campingflächen sind Plätze zu verstehen, auf denen man Zelte aufstellen und Pkw und Wohnwagen oder Wohnmobile abstellen kann. Man kann zwar rein technisch auch auf einer Wiese oder auf dem Feld eines Landwirts ein Zelt aufbauen und Fahrzeuge abstellen und dafür ein Entgelt entrichten, aber daraus entsteht noch keine Campingfläche. Diese ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass sie regelmäßig wechselnden Nutzern das Campieren ermöglicht und mit einer gewissen Infrastruktur ausgestattet ist, wie z. B. Wasser- und Stromanschlüssen, Duschen, Einkaufsmöglichkeiten, Gaststätten, Freizeiteinrichtungen u. v. m. Abschn. 12.16. Abs. 7 UStAE rechnet ausdrücklich auch die Lieferung von Strom auf Campingplätzen zur begünstigten Vermietung; für die Lieferung von Wasser gilt ohnehin der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. der Anlage 2 Nr. 34 zum UStG.

 

Rz. 20a

Abschn. 12.16 Abs. 7 UStAE zählt zur kurzfristigen Vermietung von Campingflächen auch die Vermietung von ortsfesten Wohnmobilen, Wohncaravans und Wohnanhängern. Das ist eine sehr großzügige Auslegung des Begriffs "Campingfläche", die nicht überzeugt. Vorzuziehen ist die in Rz. 12 vorgenommene Einbeziehung dieser Beherbergungsmöglichkeiten in den Begriff des Raums. So ist auch der in Rz. 3 erwähnte unionsrechtliche Begriff der Ferienunterkunft zu verstehen, den das deutsche Gesetz erstaunlicherweise nicht verwendet.[1] Dann gehören sicher auch aufgebaute Zelte zu den Ferienunterkünften, die zum ermäßigten Steuersatz vermietet werden könnten.

 

Rz. 20b

Der EuGH hat im Urteil v. 19.12.2019[2] entschieden, dass Art. 98 Abs. 2 i. V. m. Anhang III Nr. 12 MwStSystRL nur für die Vermietung von Campingplätzen und Flächen für das Abstellen von Wohnwagen gilt, sodass die Vermietung von Bootsliegeplätzen nicht ermäßigt besteuert werden darf. Eine analoge Anwendung der erwähnten MwStSystRL ist nicht angezeigt. Der BFH ist dieser Auffassung im Urteil v. 24.6.2020 gefolgt.[3]

[1] Wieder einmal zeigt sich, dass die ständige Angewohnheit des deutschen Gesetzgebers, eigene Begriffe zu verwenden, die sich nicht genau mit den unionsrechtlichen Vorgaben decken, eine ergiebig sprudelnde Quelle von Zweifelsfragen ist, die nicht selten zu Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH führen. Auch wenn EU-Richtlinien nach Art. 288 AEUV an die Mitgliedstaaten gerichtet und nur hinsichtlich ihres Zieles verbindlich sind, sodass die Mitgliedstaaten eigentlich den Weg zum Ziel selbst bestimmen können, hat sich insbesondere aus der Rspr. des EuGH ergeben, dass die strikte Befolgung des unionsrechtlichen Wortlauts die sicherste Lösung der Umsetzungsaufgabe ist. S. a. Widmann, Die neuen Leiden der alten Mehrwertsteuer, in: Festschrift für Wilhelm Haarmann, 2015, 1048ff.
[2] EuGH v. 19.12.2019, C-715/18, Segler-Vereinigung Cuxhaven, Haufe-Index 13594800, DStR 2019, 2696.

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