Rz. 8
Mit der Werklieferung und der Werkleistung hat der in § 3 Abs. 10 UStG geregelte Sonderfall der Leistung gemeinsam, dass der Auftraggeber in allen Fällen einen Stoffbeitrag leistet. Handelt es sich dabei nicht um den gesamten Hauptstoff, liegt regelmäßig eine Werklieferung des Unternehmers mit Materialbeistellung (§ 3 Abs. 4 UStG) vor. Wird der gesamte Hauptstoff vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt und genau dieser vom Unternehmer be- oder verarbeitet, so handelt es sich um eine Werkleistung. Wird der gesamte hingegebene Hauptstoff vom Unternehmer in der Weise umgetauscht, dass er den hingegebenen Stoff behält und dem Auftraggeber einen dem bestellten Gegenstand gleichartigen zurückgibt, so liegt (falls die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind) ein Sonderfall der Leistung gem. § 3 Abs. 10 UStG vor. Die Beschaffung und Verwendung von Zutaten oder Nebenstoffen durch den herstellenden Unternehmer steht der sonstigen Leistung nicht entgegen.
Rz. 9
Als Stoff i. S. d. § 3 Abs. 10 UStG kommt grundsätzlich jeder körperliche Gegenstand in Betracht, der geeignet ist, in irgendeiner Form gegenständlich in den herzustellenden Gegenstand Eingang zu finden. Daher kann elektrische Energie, obwohl sie Gegenstand im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist, nicht Stoff i. S. d. § 3 Abs. 10 UStG sein. Bei der bloßen Überlassung von Energie handelt es sich um eine sonstige Beistellung zur Werklieferung des Unternehmers.
Rz. 10
Die Übergabe eines Stoffs i. S. d. § 3 Abs. 10 UStG setzt nach Auffassung des BFH Verschaffung der Verfügungsmacht voraus. Daran mangelt es, wenn sich zwei Unternehmer zur Durchführung gegenseitig erteilter Aufträge Material nicht tatsächlich zur Verfügung stellen, sondern jeweils eigenes Material verarbeiten, welches sie über Materialkonten verrechnen. Durch bloße Buchungsvorgänge oder durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts kann die Stoffübergabe nicht ersetzt werden.
Rz. 11
Aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 10 UStG ("zur Herstellung eines Gegenstands übergeben") folgt, dass zwischen der Übergabe des Stoffs und der Herstellung eines Gegenstands ein erkennbarer Zusammenhang bestehen muss. Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn – wie im Regelfall – der Stoff vor oder bei der Herstellung des Gegenstands übergeben wird. Jedoch kann die Stoffübergabe bei hinreichend erkennbarem Zusammenhang auch nach der Herstellung des Gegenstands erfolgen, z. B. wenn bei laufenden Geschäftsbeziehungen Auftraggeber und Werkunternehmer regelmäßig von § 3 Abs. 10 UStG Gebrauch machen.
Maßgeblich ist dabei die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers (vgl. Rz. 7).
Rz. 12
§ 3 Abs. 10 UStG geht davon aus, dass der übergebene Stoff und der im hergestellten Gegenstand enthaltene Stoff sich mengenmäßig entsprechen. Gibt der Unternehmer eine nicht benötigte Übermenge an den Auftraggeber zurück, so treten insoweit keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen ein. Behält der Werkunternehmer die Übermenge, liegt insoweit eine Lieferung des Auftraggebers an den Werkunternehmer vor. Der gemeine Wert der Übermenge stellt neben dem Werklohn das Entgelt für die vom Werkunternehmer erbrachte Leistung gem. § 3 Abs. 10 UStG dar. Die Überlassung einer Übermenge liegt hinsichtlich des überschießenden Teils eine Lieferung vor. Die Übermenge stellt nur dann keine Lieferung an den Werkunternehmer dar, wenn sie im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen als Vorausgestellung für künftig herzustellende Gegenstände angesehen werden kann.
Rz. 13
Übergibt der Auftraggeber weniger Stoff, als zur Herstellung benötigt wird, so ist das für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 10 UStG unschädlich, falls der Unternehmer nur Nebenstoffe oder Zutaten (z. B. Salz und Hefe bei der Umtauschbäckerei) hinzufügt. Werden vom Unternehmer auch Hauptstoffe beigegeben, so handelt es sich um eine Werklieferung mit Materialbeistellung.