Rz. 761
Der Rat hat am 5.4.2022 die Richtlinie (EU) 2022/542 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze angenommen. Neben den Regelungen zu den Steuersätzen wurden auch bestimmte Vorschriften über den Ort von Dienstleistungen geändert. So findet nach dem neuen Art. 53 Abs. 2 MwStSystRL (Ort der Dienstleistung betreffend Eintrittsberechtigungen für kulturelle u. a. Veranstaltungen B2B) diese Ortsbestimmung im Fall der virtuellen Teilnahme an den Veranstaltungen keine Anwendung. Nach dem neuen Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL (Ort der Dienstleistung bei kulturellen u. a. Veranstaltungen B2C) gilt: "Betreffen die Dienstleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen Tätigkeiten, die per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht werden, so gilt als Ort der Dienstleistung jedoch der Ort, an dem der Nichtsteuerpflichtige ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat."
Nach dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission sollten die EU-Mitgliedstaaten zwar weiterhin nur 2 ermäßigte Steuersätze anwenden können, die mindestens 5 % betragen müssen. Darüber hinaus sollte jedoch den Mitgliedstaaten auch die Einführung eines superermäßigten Steuersatzes (unter 5 %) erlaubt werden, sowie die Einführung eines sog. Nullsatzes, also einer Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug. Außerdem sollte die Anwendung ermäßigter Steuersätze nicht mehr auf bestimmte Umsätze beschränkt werden, vielmehr sollte der bisherige Anhang III zur MwStSystRL gestrichen werden, mit der Folge, dass der Anwendungsbereich ermäßigter Steuersätze den Mitgliedstaaten völlig offen gestanden hätte. Lediglich nach Art. 98 Abs. 3 Unterabs. 2 MwStSystRL i. V. m. einem neuen Anhang IIIa MwStSystRL sollte ein Umsatzkatalog geschaffen werden, für den die Anwendung ermäßigter Steuersätze nicht gestattet worden wäre. Der Rat hat sich mit der RL (EU) 2022/542 in wesentlichen Bereichen dem Richtlinienvorschlag der Kommission nicht angeschlossen. Der wichtigste Aspekt hierbei ist, dass es nicht zu einer vollständigen Freigabe des Anwendungsbereichs ermäßigter Steuersätze gekommen ist. Nach wie vor zählt der (wenn auch etwas veränderte) Anhang III MwStSystRL abschließend die Leistungen (Lieferungen, sonstige Leistungen) auf, die die EU-Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen dürfen. Auch ist unverändert geblieben, dass die Mitgliedstaaten insoweit ein Wahlrecht haben. Sie müssen diese Umsätze nicht ermäßigt besteuern, sondern dürfen auch den Regelsteuersatz anwenden.