Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. berufliche Weiterbildung. Bildungsgutschein. Fahrtkostenübernahme. keine zwingende Beschränkung auf solche Fahrtkosten, die zusätzlich zu den Kosten entstehen, die aufgrund des Beschäftigungsverhältnis anfallen. Fahrten mit dem Kfz
Leitsatz (amtlich)
Ein Bildungsgutschein, der Fahrtkosten dem Grunde nach uneingeschränkt bewilligt, ist nicht rechtswidrig. § 85 SGB III ist nicht so zu verstehen, dass Fahrtkosten, die aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses ohnehin anfielen, zwingend nicht berücksichtigungsfähig sind. Eine solch zwingende Beschränkung der Bezuschussung von Fahrtkosten bei Fahrten mit einem Kfz entsprechend der Geschäftsanweisung Nr V 13, Abs 1 der Beklagten teilt die Kammer nicht.
Tenor
I. Der Bescheid vom 29.12.2015 in der Fassung des Aufhebungsbescheids vom 10.05.2016 sowie des Abhilfebescheids vom 10.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 23.05.2016 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin deren außergerichtliche Kosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Bewilligung von Fahrtkosten ab 01.01.2016.
Am 27.08.2014 schloss die 1956 geborene Klägerin mit der H.-mbH einen Ausbildungsvertrag über die Ausbildung zur Altenpflegerin ab 01.09.2014. Die Beklagte erteilte der Klägerin einen Bildungsgutschein für das Bildungsziel/Qualifizierungsinhalte: “Altenpfleger/in„ im Rahmen der WeGebAU, welchen die Klägerin am 07.11.2014 unterzeichnete. Demnach würden die Übernahme der vollen Lehrgangskosten für die Weiterbildungsmaßnahme für bis zu 36 Monate einschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums übernommen. “Fahrtkosten werden in Höhe des Betrags erstattet, der bei Benutzung des zweckmäßigsten regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels in der niedrigsten Klasse zu zahlen ist; bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel wird für Fahrtkosten die Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 des Betriebsreisekostengesetzes zugrunde gelegt, die 0,20 € je gefahrenen Kilometer beträgt, maximal 476,00 € monatlich.„
Mit Bescheid vom 19.11.2014 bewilligte die Beklagte Lehrgangskosten in Höhe von 248,17 € und in der Folge (nachgewiesene) Fahrtkosten ab 01.09.2014 mit verschiedenen Änderungsbescheiden.
Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte die Erstattung zu viel gezahlter Fahrtkosten für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.10.2015 in Höhe von 3.212,-- € gemäß § 50 SGB X (Bescheid vom 29.12.2015).
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Die Beklagte half dem Widerspruch teilweise ab, indem sie den angefochtenen Bescheid teilweise aufhob und Fahrtkosten in Höhe von 3.354,60 € bis 31.12.2015 bewilligte. Zudem hob sie die Bewilligung von Fahrtkosten ab dem 01.01.2016 ganz auf (Bescheide vom 10.5.2016).
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2016 hob die Beklagte den Erstattungsbescheid vom 29.12.2015 auf. Bis einschließlich Dezember 2015 würden noch entstandene Fahrtkosten auf Nachweis erstattet. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Ab Januar stünden der Klägerin keine Fahrtkostenerstattungen für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme mehr zu. Im “Fragebogen für Beschäftigte bei Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme„ vom 01.11.2014 sowie der beigefügten “Anlage zum Fragebogen für beschäftigte Arbeitnehmerinnen bei Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme„ habe die Klägerin angegeben, ihr würden durch die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme zusätzliche Fahrtkosten entstehen. Dabei sei expliziert darauf hingewiesen worden, Fahrtkosten, die aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses ohnehin anfielen, seien nicht berücksichtigungsfähig. Die Rücknahme richtet sich nach § 45 SGB X. Zugunsten der Klägerin sei die Beklagte davon ausgegangen, die Klägerin habe auf die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vertraut und ihr Vertrauen sei in Bezug auf die Vergangenheit auch schutzwürdig. Spätestens nach Beendigung des Anhörungsverfahrens habe die Klägerin auf die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids hier auch nicht mehr vertrauen können. Das Anhörungsschreiben sei ihr am 18.12.2015 zugegangen. Folglich greife spätestens ab Januar 2016 (mit Wirkung für die Zukunft) kein Vertrauensschutz mehr und die Bewilligungsentscheidung aufzuheben sei. Die Aufhebungsentscheidung für die Zeit ab Januar 2016 sei ermessensgerecht.
Mit der am 22.06.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, eine Anlage zum Fragebogen sei ihr nicht bekannt; Die Anlage in der Verwaltungsakte sei nicht von ihr unterzeichnet. Eine ausdrückliche Information, sie bekomme keine höheren Fahrtkosten erstattet als die durch die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ohnehin entstandenen, habe sie nicht erhalten. Die Sachbearbeiterin, Frau R., in K., habe sie sogar noch angerufen und erklärt, auch die Fahrtkostenerstattung werde gewährleistet. Daher könne sie sich auch für die Zeit ab Januar 2016 auf die zugesagten Fahrtkosten berufen. ...