0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. § 315 übernimmt das bisher in § 291b Abs. 4 Satz 1 und 2 geregelte geltende Recht und regelt die Verbindlichkeit von Beschlüssen der Gesellschaft für Telematik (gematik).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die gematik ist eine juristische Person des Privatrechts (GmbH). Ihre Beschlüsse zu den Regelungen, dem Aufbau und dem Betrieb der Telematikinfrastruktur sind für die Leistungserbringer und die Krankenkassen sowie ihre Verbände nach dem SGB V verbindlich. Es handelt sich dabei nicht um eine Normsetzung der gemeinsamen Selbstverwaltung, sondern um untergesetzliche Normsetzung (Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 291b Rz. 65). Voraussetzung ist, dass die gesetzlich geregelten Publizitätserfordernisse (z. B. Veröffentlichung auf den Internetseiten der gematik) eingehalten werden.
2 Rechtspraxis
2.1 Verbindlichkeit (Abs. 1)
Rz. 3
Die Beschlüsse der gematik zu den Regelungen, dem Aufbau und dem Betrieb der Telematikinfrastruktur sind für die Leistungserbringer und Krankenkassen sowie ihre Verbände nach dem SGB V (Landesverbände, Spitzenverband Bund der Krankenkassen, §§ 207 ff.) verbindlich (Satz 1). Die Apothekenkammern der Länder gehören nicht zu den Leistungserbringern. Damit die Regelung auch für technische Werkzeuge im Apothekenbereich angewendet werden kann, ist die Erweiterung auf die Apothekerkammern der Länder für die Fälle erforderlich, in denen es keine landesrechtlichen oder bundesrechtlichen Bestimmungen gibt (Satz 2, BT-Drs. 19/8351 S. 215). Die angeordnete Verbindlichkeit korrespondiert mit dem Auftrag an die gematik, die Telematikinfrastruktur zu schaffen (§ 311 Abs. 1 Nr. 1).
Rz. 3a
Keine Befugnis, die Verbindlichkeit von Beschlüssen anzuordnen, besteht gegenüber den Versicherten oder Kostenträgern außerhalb des SGB V (insbesondere private Krankenversicherungen; Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 315 Rz. 13).
2.2 Gelegenheit zur Stellungnahme (Abs. 2)
Rz. 4
Die gematik hat dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahme ist formale Voraussetzung für die Verbindlichkeit. Beschlüsse der gematik werden nur dann rechtmäßig gefasst, wenn die Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Beschlussfassung gegeben wird. Die Gelegenheit zur Stellungnahme ist zu geben, sofern Belange des Datenschutzes oder der Datensicherheit berührt sind. Das wird bei den meisten Beschlüssen über den Aufbau und den Betrieb der Telematikinfrastruktur der Fall sein.