0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Früherkennungsmaßnahmen für Kinder waren schon Gegenstand einer Regelung in § 181 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Allerdings wurden nur Kinder bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres erfasst.
Die Norm wurde durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführt und begründete einen Anspruch auf Untersuchung zur Früherkennung von Krankheiten bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres.
Rz. 2
Abs. 1 Satz 1 wurde durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) v. 23.6.1997 (BGBl. I S. 1520) mit Wirkung zum 1.7.1997 geändert, Satz 2 und 3 wurden angefügt. Dadurch wurde der Anspruch erweitert um eine Untersuchung auch nach Vollendung des 10. Lebensjahres. Der Anspruch auf Früherkennungsmaßnahmen von Zahnerkrankungen hatte besondere Bedeutung, weil mit dem 2. GKV-NOG der Anspruch auf Zahnersatz für nach dem 31.12.1978 geborene Versicherte in § 30 entfiel. Diese Regelung wurde zwar durch das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz v. 19.12.1998 (BGBl. I S. 3853) wieder rückgängig gemacht. Gleichwohl kommt dem Anspruch in § 26 Abs. 1 Satz 2 nach wie vor große Bedeutung zu, zumal mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) v. 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) der Anspruch auf Zahnersatz für alle Versicherten in § 30 ab 1.1.2005 entfällt und nur noch als obligatorische Satzungsleistung in Form einer vom Versicherten abzuschließenden Zahnersatzversicherung zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.
Abs. 3 ist durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) v. 15.12.2008 (BGBl. I S. 2426) angefügt worden. Grundlage hierfür war die Vorstellung des Gesetzgebers, dass das gesunde Aufwachsen von Kindern, das Erkennen von Risiken und der Schutz vor Gefährdungen Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung ist, der sich alle staatlichen Einrichtungen – und damit auch die Krankenkassen – im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu stellen haben (amtl. Begr. zum Gesetzentwurf BT-Drs. 16/9559 S. 17).
Rz. 2a
Die Überschrift sowie Abs. 1 und Abs. 2 sind durch Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) v. 17.7.2015 (BGBl. I S. 1368) neu gefasst worden. Die ärztliche Gesundheitsuntersuchung beinhaltet nunmehr neben der Früherkennung auch ausdrücklich primärpräventive Maßnahmen, da bereits im Kindesalter chronische, lebensstilbedingte und psychische Erkrankungen an Bedeutung gewinnen. Die Änderungen sind am 25.7.2015 in Kraft getreten.
Rz. 2b
Das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) v. 10.2.2020 (BGBl. I S. 148) hat mit Wirkung zum 1.3.2020 durch Art. 2 Nr. 4 nach Abs. 2 Satz 3 einen Satz eingefügt. Der ursprüngliche Satz 4 wurde Satz 5, Satz 5 wurde zu Satz 6.
1 Allgemeines
Rz. 3
Die Früherkennungsmaßnahmen bei Kindern dienen dem Zweck, Krankheiten aufzuspüren, die die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes in nicht geringfügigem Maße gefährden. Damit wird gleichzeitig ein Beitrag zur Senkung der Säuglingssterblichkeitsrate in Deutschland geleistet.
Seit dem 1.7.1997 war zu den bisher 9 Untersuchungen bis zum vollendeten 6. Lebensjahr eine weitere nach Vollendung des 10. Lebensjahres hinzugekommen. Mit dieser Änderung wurde die bisher bereits vielfach aufgrund von Satzungsregelungen durchgeführte Kinderuntersuchung zu Beginn der Pubertät auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Außerdem waren vom 1.7.1997 an die Früherkennungsuntersuchungen im Bereich der zahnmedizinischen Vorsorge verbessert und erweitert worden. Folgerichtig waren fortan auch Zahnärzte berechtigt, Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten durchzuführen.
Rz. 4
Mit dem Präventionsgesetz (vgl. Rz. 2a) ist unter entsprechender Änderung von Abs. 1 und 2 das Untersuchungsprogramm zur Früherkennung von wesentlichen und wirksam behandelbaren Erkrankungen und Entwicklungsstörungen über das Kindesalter hinaus auf das Jugendalter ausgedehnt worden. Die Erfassung von gesundheitlichen Belastungen und Risikofaktoren wie zum Beispiel Übergewicht, unausgewogene Ernährung oder Bewegungsmangel rücken zu Recht endlich stärker in den Blickpunkt. Grundlage hierfür sind aktuelle Erkenntnisse, dass bereits im Kindesalter chronische, lebensstilbedingte und psychische Erkrankung an Bedeutung gewinnen. Eine Reihe relevanter Krankheiten und Krankheitsrisiken manifestiert sich schon in der Altersgruppe der 6- bis10-jährigen wie auch während der Pubertät (Begründung vgl. BT-Drs. 18/4282 S. 42). Das Untersuchungsprogramm ist nunmehr durchgängig bis zum 18. Lebensjahr ausgedehnt worden.
Rz. 5
Maßnahmen zur Verbesserung des Kindeswohls und Gesundheitsschutzes fallen primär in die Zuständigkeit der Länder. Hierzu zählen u. a. Einladungs-, Rückmelde- und Erinnerungssysteme der Länder zu den Früherkennungsuntersuchungen. Mit dem mit Wirkung zum 1.1.2009 eingefügten Abs. 3 verdeutlicht der Geset...