Rz. 27
Wie schon dargelegt (oben, Rz. 8 ff.), ist § 109 BewG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 vollständig neu gefasst worden. Die Änderungen sollen den Vorgaben des BVerfG in dessen Beschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02 Rechnung tragen (vgl. oben, Rz. 4 und 8). Ihnen liegen die durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 geschaffenen neuen Prämissen für die Bewertung von Betriebsvermögen sowohl von Einzelunternehmen als auch von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen zugrunde. Mit ihnen hat sich der Gesetzgeber unter dem Druck der Vorgaben des BVerfG von den die Rechtslage vom 1.1.1993 bis 31.12.2008 beherrschenden Grundsätzen der Maßgeblichkeit der ertragsteuerrechtlichen Werte (Buchwertprinzip, Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte sowie der dadurch hervorgerufenen Bewertungsidentität zwischen Steuerbilanz und Vermögensaufstellung verabschiedet und sich zum bewertungsrechtlichen Ansatz des Betriebsvermögens jedweder Unternehmensform mit dem gemeinen Wert als Bewertungszielgröße hingewendet. Damit hat der Gesetzgeber dem in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten Gleichbehandlungsgebot nicht nur für die rechtsformneutrale Bewertung des inländischen Betriebsvermögens Rechnung getragen, sondern auch für den prinzipiellen "Gleichklang" zwischen der Bewertung inländischen und ausländischen Betriebsvermögens gesorgt (dazu näher unten, Rz. 231 ff.) sowie die Grundlagen für eine vermögensartübergreifende Bewertung aller (erbschaft- und schenkungsteuerbarer) Vermögenstransfers unter Annäherung an den gemeinen Wert geschaffen. Mit Blick hierauf erscheint es ohne Übertreibung gerechtfertigt, von einem "Paradigmenwechsel" zu sprechen.
Rz. 28
Nach § 12 Abs. 5 ErbStG ist das inländische Betriebsvermögen, für das ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG gesondert festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festgestellten Wert anzusetzen. Gemäß § 157 Abs. 5 Satz 1 BewG ist der Wert von Betriebsvermögen oder des Anteils am Betriebsvermögen i.S.d. §§ 95, 96 und 97 BewG (Betriebsvermögenswert) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festzustellen. Der Betriebsvermögenswert ist dabei unter Anwendung des § 109 Abs. 1 und 2 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln (§ 157 Abs. 5 Satz 2 BewG).
Rz. 29
§ 109 BewG ordnet in seinem Absatz 1 Satz 1 BewG an, dass das Betriebsvermögen von Gewerbetreibenden i.S.v. § 95 BewG und das Betriebsvermögen von freiberuflich Tätigen i.S.v. § 96 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Eine entsprechende Anordnung trifft § 109 Abs. 2 Satz 1 BewG für die Bewertung von Anteilen am Betriebsvermögen der in § 97 BewG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Betriebsvermögen in diesem Sinne meint nur das inländische Betriebsvermögen (vgl. dazu unten, Rz. 232 ff.). Ausländisches Betriebsvermögen wird von § 109 Abs. 1 und 2 BewG nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – erfasst. Vielmehr richtet sich dessen Bewertung gem. § 12 Abs. 7 ErbStG nach § 31 BewG, der seinerseits auf die Vorschriften des Ersten Teils des BewG, insbesondere auf § 9 BewG, verweist. Maßgebend ist insoweit also ebenfalls der gemeine Wert, wobei sich allerdings die Frage stellt, ob der gemeine Wert des ausländischen Betriebsvermögens nach denselben Methoden zu ermitteln ist wie der gemeine Wert von inländischem Betriebsvermögen. Für die Ermittlung des gemeinen Werts von inländischem Betriebsvermögen ordnet § 109 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 BewG die entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 2 BewG an, wohingegen weder § 31 BewG noch § 9 BewG eine ausdrückliche Verweisung auf § 11 Abs. 2 BewG enthalten. Zu diesem Problem – auch in seiner europarechtlichen Dimension – vgl. unten, Rz. 235 ff.
Rz. 30
Wiewohl nun das neue Recht von dem gleichheitswidrigen Prinzip der Bewertungsidentität (= Grundsatz der Maßgeblichkeit der ertragsteuerrechtlichen Wertansätze; "Buchwertprinzip") abgekehrt ist (siehe oben, Rz. 4 ff.), verbleibt es hingegen beim Grundsatz der Bestandsidentität zwischen dem ertragsteuerrechtlichen und dem bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen. Letzteres folgt aus den in § 109 Abs. 1 und 2 BewG enthaltenen Verweisungen auf das Betriebsvermögen i.S.v. § 95 und § 96 sowie auf den anteiligen Wert des Betriebsvermögens i.S.d. § 97 BewG. Denn die §§ 95 bis 97 BewG verweisen in Bezug auf den Bestand und den Umfang des (bewertungsrechtlichen) Betriebsvermögens ihrerseits auf das Ertragsteuerrecht. So heißt es in der mit "Begriff des Betriebsvermögens" überschriebenen Grundnorm des § 95 (Abs. 1) BewG ausdrücklich, dass das "Betriebsvermögen ... alle Teile eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Absatz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (umfasst), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören." (näher dazu unten, Rz. 59 ff.). Dabei gehören zum ertragsteuerrechtlichen wie bewertungsrechtlichen Betriebsver...