a) Vertrag zugunsten Dritter
Rz. 220
Normalerweise ist eine in einem Vertrag vereinbarte Leistung von einer Partei an die andere zu erbringen (§§ 241, 311 BGB). Nach § 328 Abs. 1 BGB können die Vertragschließenden aber vereinbaren, dass die Leistung an einen Dritten erfolgen soll, der unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. Dadurch entsteht ein Dreiecksverhältnis: Der Schuldner (Versprechender) verspricht dem Gläubiger (Versprechensempfänger), nicht an ihn zu leisten, sondern an einen anderen (Dritter). Der Dritte erwirbt den Leistungsanspruch aufgrund dieses Versprechens und nicht als Rechtsnachfolger des Versprechensempfängers aus dessen Vermögen.
Daraus ergeben sich Anschlussfragen: Erwirbt der Dritte sein Forderungsrecht sofort oder erst später? Kann sein Recht ohne seine Zustimmung von den Vertragschließenden wieder aufgehoben werden? Diese Fragen sind, wie sich aus § 328 Abs. 2 BGB ergibt, nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Andererseits kann der Dritte, da sich niemand ein Forderungsrecht gegen seinen Willen aufdrängen lassen muss, den Erwerb ablehnen. Technisch geschieht das in der Weise, dass er das Forderungsrecht durch Erklärung gegenüber dem Versprechenden zurückweist; dann gilt das Recht rückwirkend als nicht erworben (§ 333 BGB).
b) Echter und unechter Vertrag zugunsten Dritter
Rz. 221
Hat der Dritte ein Recht auf die Leistung, spricht man von einem echten Vertrag zugunsten Dritter. Soll der Dritte kein Forderungsrecht bekommen, so dass es im Belieben des Versprechensempfängers oder seiner Erben steht, ob er die Leistung bekommt, handelt es sich um einen unechten Vertrag zugunsten Dritter.
Rz. 222
Entsteht das Recht des Dritten mit dem Vertragsschluss sofort und endgültig, liegt ein Erwerb unter Lebenden vor. Das Gleiche gilt, wenn das Recht aufschiebend bedingt oder befristet entsteht. Hier hat der Dritte zunächst ein Anwartschaftsrecht, das beim Eintritt der Bedingung zum Vollrecht erstarkt oder erlischt, wenn die Bedingung ausfällt. Das Forderungsrecht oder das Anwartschaftsrecht des Dritten gegen den Versprechenden ist veräußerlich und vererblich.
Rz. 223
Soll die Leistung an den Dritten jedoch erst nach dem Tode des Versprechensempfängers erfolgen, erwirbt der Dritte im Zweifel das Recht auf die Leistung mit dem Tode des Versprechensempfängers (§ 331 Abs. 1 BGB). Bis dahin hat er nur eine Erwerbschance, eine Hoffnung auf den Erwerb. Wie bei einer Schenkung auf den Todesfall nach § 2301 BGB steht auch hier der Erwerb des Dritten unter einer Überlebensbedingung. Bei Vorversterben des Dritten steht der Anspruch gegen den Versprechenden wieder dem Versprechensempfänger zu, soweit keine anderen Begünstigten benannt sind. Der Erwerb des Dritten erfolgt außerhalb der Erbfolge, also unmittelbar aufgrund des Vertrags z.B. über ein Bankguthaben oder ein Wertpapierdepot.
c) Unentgeltlichkeit des Erwerbs
Rz. 224
Muss der Dritte für den Erwerb des Anspruchs keine Gegenleistung an den Versprechensempfänger erbringen, handelt es sich in ihrem Verhältnis (Valutaverhältnis) um eine vollzogene Handschenkung.
Rz. 225
Denkbar ist aber auch, dass das Forderungsrecht des Dritten aufschiebend bedingt oder befristet ist. Dann wird es erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Endtermins voll wirksam, so dass der Dritte erst dann die Leistung fordern kann. Im Verhältnis von Versprechensempfänger und Dritten handelt es sich in diesem Fall um ein vollzogenes Schenkungsversprechen.
Rz. 226
Und zum Dritten kann die Schenkung auch unter einer Überlebensbedingung erfolgen, so dass im Valutaverhältnis auch eine vollzogene Schenkung von Todes wegen möglich ist – ein eleganter Weg, um ohne Einhaltung der erbrechtlichen Vorschriften und jedweder Formvorschriften, die für die Schenkung selbst gelten, eine Zuwendung von Todes wegen mit Hilfe einer Zuwendung unter Lebenden zu erreichen.
d) Bezugsrechte bei einer Kapitallebensversicherung
Rz. 227
Ein in der Praxis wichtiger Fall eines Vertrags zugunsten Dritter ist ein Versicherungsvertrag, der eine Kapitallebensversicherung zum Gegenstand hat. Hier hat der Versicherungsnehmer (Versprechensempfänger), der den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, gegenüber dem Versicherer (Versprechender) einen Bezugsberechtigten (Dritter) benannt. Der Dritte bekommt in jedem Versicherungsfall oder in einem der Versicherungsfälle – also beim Tod des Versicherungsnehmers, am Ende einer vereinbarten Laufzeit oder bei Kündigung des Vertrags die im Versicherungsvertrag zugesagte Ablaufleistung.
Rz. 228
Das Bezugsrecht kann widerruflich oder unwiderruflich eingeräumt werden. Ein widerrufliches Bezugsrecht kann der Versicherungsnehmer jederzeit durch Erklärung gegenüber dem Versicherer aufheben, ohne dazu die Zustimmung des Bezugsberechtigten zu benötigen. Zur Aufhebung eines unwiderruflichen Bezugsrechts bedarf er der Zustimmung des ...