Rz. 56
Der Gesetzgeber ist der ihm vom BVerfG auferlegten Verpflichtung durch das ErbStRG 2009 v. 24.12.2008 nachgekommen. Hierdurch haben die sich mit den Wertansätzen befassenden Regelungen im Ersten Abschnitt des Zweiten Teils unter D. des BewG (§§ 95 bis 109 BewG) einschneidende Änderungen erfahren. Im Einzelnen wird hierzu auf die Erläuterungen Vor § 95 BewG Rz. 114 ff. verwiesen.
Rz. 57
Im Unterschied zur früheren, bis 31.12.2008 geltenden Rechtslage bestimmt sich der Wert des Betriebsvermögens ab 1.1.2009 grundsätzlich nicht mehr nach der Einzelbewertungsmethode, d.h. nach der Summe der Werte, die für jedes einzelne positive und negative Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens anzusetzen sind. Nach der neuen Rechtslage richtet sich die Bewertung des Betriebsvermögens vielmehr im Grundsatz nach dem im Wege der schon aus den allgemeinen Bewertungsvorschriften (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BewG) bekannten Gesamtbewertungsmethode zu ermittelnden Ertragswert (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG). Neben dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG i.V.m. den §§ 199 ff. BewG kommen auch andere marktübliche Gesamtbewertungsverfahren (z.B. das sog. DCF-Verfahren oder das Verfahren nach IDW S 1) in Frage (im Einzelnen vgl. § 109 BewG Rz. 293 ff.).
Rz. 58
Allerdings darf der auf diese Weise ermittelte Ertragswert die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen rechnenden Schulden und sonstigen Abzüge, d.h. den Substanzwert, nicht unterschreiten (§ 109 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Der im Regelfall maßgebende Grundsatz der Gesamtbewertung, d.h. die Ermittlung des Ertragswerts des Unternehmens, findet also eine Grenze in der in § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG vorgesehenen Mindestbewertung in Höhe des sich aus der Summe der positiven und negativen (gemeinen) Einzelwerte ergebenden Substanzwerts. Der Grundsatz der Gesamtbewertung wird ferner durchbrochen in den Fällen des Sonderbetriebsvermögens und des § 200 Abs. 2 bis 4 BewG i.V.m. § 109 und 11 Abs. 2 Satz 4 BewG.
Rz. 59
Für sämtliche der vorstehend skizzierten Bewertungsmethoden stellt freilich die Bewertungszielgröße – entsprechend den Vorgaben des BVerfG im Beschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02 – der gemeine Wert des von Todes wegen übergehenden oder durch freigebige Zuwendung unter Lebenden übertragenen Betriebsvermögens dar.
Rz. 60
War der Maßstab des Teilwerts für die Bewertung des Betriebsvermögens – wie schon dargelegt (Rz. 28 ff.) – bereits unter der Geltung der durch das StÄndG 1992 begründeten Rechtslage v. 1.1.1993 bis 31.12.2008 stark zurückgedrängt worden, so spielt er – seit 1.1.2009 – im Hinblick auf die durchgängige Bewertung des Betriebsvermögens (sowie auch aller übrigen Vermögensarten) mit dem gemeinen Wert so gut wie gar keine Rolle mehr. Eine Ausnahme gilt für die Bewertung der "Überentnahmen", die in Form von Sachentnahmen stattfinden, im Rahmen des § 13a Abs. 6 Nr. 3 ErbStG, ferner auch im Rahmen der Bewertung der Sachentnahmen gemäß § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 ErbStG.
Rz. 61
Ist der Wert des Betriebsvermögens – wie in aller Regel – nach der Gesamtbewertungsmethode zu ermitteln, so kommt es nicht mehr – wie es noch der mit Wirkung ab 1.1.2009 ersatzlos gestrichene § 98a BewG a.F. vorgeschrieben hatte – auf die (Teil-)Werte der einzelnen positiven und negativen Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven und passiven Ansätze an. Im Übrigen besteht zwischen dem nach dem going-concern-Prinzip ermittelten (vgl. unten Rz. 63) gemeinen Wert des Gesamtunternehmens und dessen Teilwert m.E. kein Unterschied. Ist der Wert des Betriebsvermögens hingegen – wie bei der im Rahmen der Mindestbewertung (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG) vorgeschriebenen Substanzbewertung – nach der Summe der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven und passiven Ansätze des Betriebsvermögens zu bestimmen oder bedarf es aus anderen Gründen, so insbesondere beim Sonderbetriebsvermögen und in den Fällen des § 200 Abs. 2 bis 4 BewG, einer Einzelbewertung der betreffenden Vermögensgegenstände, so erklärt § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ausdrücklich die gemeinen Werte für maßgebend.
Rz. 62
Nennenswerte Unterschiede zwischen der Bewertung mit dem gemeinen Wert und dem Ansatz mit dem Teilwert dürften in den soeben skizzierten Fällen der Einzelbewertung allerdings nicht bestehen: Wie der gemeine Wert stellt auch der Teilwert eine Form des Verkehrswerts dar und wurde vom RFH als "Sonderart des gemeinen Werts" kreiert. Auch der BFH hat im Anschluss an die Rechtsprechung des RFH schon frühzeitig konstatiert, dass der Teilwert seinem Wesen nach ein gemeiner Wert sei. Näher zur Entwicklungsgeschichte des Teilwerts oben, Rz. 19 ff.
Rz....