Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 144
Beim BFH ist ein Verfahren anhängig, bei dem über die Frage zu entscheiden ist, ob bei der Bewertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück für Erbschaftsteuerzwecke vom anteiligen Verkehrswert des Grundstücks ein zusätzlicher Marktanpassungsabschlag vorgenommen werden darf.
In dem Fall ist streitig, ob bei einer Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts im Rahmen eines Gutachtens ein Abschlag dafür anerkannt werden kann, dass kein Volleigentum übertragen wird. Der Steuerpflichtige hatte einen halben Anteil an einem Zweifamilienhaus von Todes wegen erworben. Die andere Hälfte war ihm bereits zuzurechnen. Das Finanzamt stellte einen Grundbesitzwert für das Zweifamilienhaus in Höhe von rd. 280.000 EUR fest, der übertragene Anteil belief sich somit auf rd. 140.000 EUR. Der Steuerpflichtige legte eine Verkehrswertermittlung des Gutachterausschusses für das Zweifamilienhaus vor, aus der sich ein unstreitiger Wert von 150.000 EUR für das Zweifamilienhaus ergab. Allerdings wurde Gutachterausschuss der Auffassung, dass der hälftige Miteigentumsanteil bei einem Erwerb durch Dritte mit erheblichen Risiken verbunden sei, sodass für den Miteigentumsanteil ein Abschlag von rund 20 % vorgenommen und im Gutachten der Wert des Anteils mit 60.000 EUR ausgewiesen wurde.
Demgegenüber hatte das FA den übertragenen Miteigentumsanteil mit der Hälfte des im Gutachten ausgewiesenen Gesamtwerts von 150.000 EUR mit 75.000 EUR festgestellt. Darüber hinaus wurde kein Abschlag gewährt.
Das Finanzgericht Münster sah die Klage als begründet an, weil der Gegenstand der Grundbesitzwertfeststellung der Miteigentumsanteil am Grundstück sei. Dieser Anteil stelle die zu bewertende wirtschaftliche Einheit dar. Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes könne auch dahingehend geführt werden, dass der Wert des Miteigentumsanteils niedriger sei als der rechnerische Bruchteil des Werts des Volleigentums. § 198 BewG stelle auf den gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit ab, somit könne auch der Umstand berücksichtigt werden, dass es sich nicht um Voll- sondern um Miteigentum handelt. Der Wert des Miteigentumsanteils sei daher mit 60.000 EUR anzusetzen.
Das FA hat gegen die Entscheidung des FG Ms Revision eingelegt. Mit Blick auf den Beschluss des BFH v. 22.7.2005 kann der Entscheidung des FG Ms nicht gefolgt werden. § 2 BewG definiert den der Umfang der wirtschaftlichen Einheit. Wirtschaftliche Einheit ist bei der Bewertung des Grundvermögens das Grundstück (§ 157 BewG). Zudem regelt § 3 BewG, dass der Wert eines Wirtschaftsguts, das mehreren Personen zuzurechnen ist, im Ganzen zu ermitteln und im Verhältnis der Anteile aufteilen ist. Somit ist bei der Gutachtenerstellung auf die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks abzustellen. Die wirtschaftliche Einheit umfasst nicht nur den übertragenen Miteigentumsanteil.