Rz. 2
§ 86 BewG enthält in Abs. 1 bis Abs. 4 eine abschließende Regelung hinsichtlich der im Rahmen des Substanzwertverfahrens vorzunehmenden altersbedingten Abschreibung. Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe der Wertminderung ist § 86 Abs. 1 Satz 1 BewG. Maßgeblich ist demzufolge das Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt. (vgl. Rz. 156 bis 170) i.V.m. der Lebensdauer, die Gebäude gleicher Art und Nutzung gewöhnlich haben (vgl. Rz. 16 bis 120). Die Wertminderung wegen Alters wird dabei stets in einem Prozentsatz des Gebäudenormalherstellungswerts ausgedrückt, § 86 Abs. 1 Satz 2 BewG (vgl. Rz. 121 bis 145). Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 3 BewG ist eine lineare Abschreibung vorzunehmen, d.h. die Berücksichtigung erfolgt mit einem gleich bleibenden jährlichen Prozentsatz (vgl. Rz. 146).
Neben der grundsätzlichen Regelung des § 86 Abs. 1 BewG enthalten die §§ 86 Abs. 2 bis 86 Abs. 4 BewG gesondert zu berücksichtigende Aspekte. § 86 Abs. 2 BewG definiert den Begriff des Alters eines Gebäudes (vgl. Rz. 156 bis 170). § 86 Abs. 3 BewG sieht einen Höchstbetrag für den altersbedingten Bewertungsabschlag vor (vgl. Rz. 171 bis 195). Schließlich enthält § 86 Abs. 4 BewG eine Sonderregelung für den Fall der Verlängerung der Lebensdauer des Gebäudes infolge von besonderen baulichen Maßnahmen (Rz. 196 bis 200).
Rz. 3
Gewöhnlicherweise errechnet sich die Wertminderung eines Gebäudes wegen Alters derart, dass der Prozentsatz (vgl. Rz. 121 bis 123) der jährlichen Wertminderung mit dem tatsächlichen Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt vervielfacht wird. Diese Berechnungsmethode gilt nur für den Regelfall, d.h. wenn die gewöhnliche Lebensdauer des Gebäudes nicht durch außergewöhnliche Umstände oder Maßnahmen beeinflusst, also verkürzt oder verlängert wurde. Ist Letzteres der Fall, so muss dies zusätzlich bei der Berechnung der Wertminderung wegen Alters berücksichtigt werden.
Rz. 4
Beim Sachwertverfahren wird der Gebäudewert auf der Grundlage des Gebäudenormalherstellungswerts ermittelt (vgl. § 85 BewG Rz. 11 bis 30). Dazu werden vom Gebäudenormalherstellungswert, der den Sachwert eines neu errichteten Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt darstellt und demzufolge das Alter des Gebäudes nicht berücksichtigt, die entsprechenden Absetzungen für Wertverzehr vorgenommen. Eine derartige Berücksichtigung des Wertverzehrs entspricht – zumindest im Grundsatz – den Absetzungen für Abnutzung, die im Ertragsteuerrecht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei Gebäuden angesetzt werden können. Dagegen werden die Absetzungen für Wertverzehr beim Ertragswertverfahren im Rahmen der Rentenformel zur Errechnung des Vervielfältigers berücksichtigt (vgl. § 78 BewG Rz. 7 ff.).
Rz. 5
Besonders zu beachten ist, dass es im Rahmen des § 86 BewG ausschließlich um die Bestimmung des Bewertungsabschlags für ein Gebäude im Hauptfeststellungszeitpunkt geht, vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 BewG. Von einer Wertminderung wegen Alters nach § 86 BewG können daher nur Gebäude betroffen werden, die bis zum Hauptfeststellungszeitpunkt (derzeit 1.1.1964) errichtet worden sind. Die Nichtberücksichtigung einer altersbedingten Wertminderung gem. § 86 BewG bei der Bewertung eines nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 hergestellten Gebäudes wird (jedenfalls bis zum 1.1.2007) als verfassungsgemäß angesehen. Nach der Rechtsprechung stellt eine solche Vorgehensweise keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Eine Zunahme des Gebäudealters nach dem 1.1.1964 ist somit nicht – auch nicht bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten – zu berücksichtigen. Kritisch hinterfragt werden sollte, warum der BFH der Auffassung ist, zumindest bis zum 1.1.2007, d.h. 43 Jahre nach dem letzten Hauptfeststellungszeitpunkt für die Bestellung des Einheitswertes, die derart ermittelte Grundsteuer noch den verfassungsrechtlich verbürgten Grundrecht in Art. 3 Abs. 1 GG auf Gleichbehandlung entsprechen sollte, jedoch nicht mehr zwei Jahre später zum 1.1.2009. Letztendlich haben die Finanzverwaltung, aber auch der Gesetzgeber, aufgrund ihrer Untätigkeit den offensichtlich verfassungswidrigen Zustand der Einheitsbewertung infolge eines unterlassenen gleichmäßigen Gesetzesvollzuges und damit auch der Grundsteuer verursacht.
Rz. 6
Das Bundesverfassungsgericht (siehe auch die Kommentierung zu Grundsteuer und Verfassungsrecht, Rz. 1 ff., Rz. 18 ff.) hat im Hinblick auf die Vorlage des BFH (vgl. Rz. 5) mit Urteil vom 10.4.2018 entschieden, dass die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Grundsteuer verfassungswidrig sei, und dem Gesetzgeber für eine Neuregelung der gesetzlichen Bewertungsregelungen eine Frist bis zum 31.12.2019 gesetzt.
Die wesentlichen Erwägungen des BVerfG sind dabei:
- Die Regelungen des BewG zur Einheitsbewertung von Grundstücken seien mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Es fehle in der Relation der Wirtschaftsgüter zu...