Rz. 176
Die Veräußerung eines Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einer Gesellschaft i.S.d. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 BewG, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA oder eines Anteils daran innerhalb der Behaltensfrist ist ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen, § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG.
Rz. 177
Veräußerung bedeutet in grundsätzlicher Anlehnung an das Ertragsteuerrecht die Übertragung des Vermögens gegen Gewährung einer Gegenleistung.
Rz. 178
Das Einräumen eines Nutzungsrechts an begünstigtem Vermögen kann nicht nach § 13a Abs. 6 Nr. 1, § 19a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG (Behaltensregelung) zum Wegfall der Entlastungen führen, weil kein begünstigtes Vermögen in seiner Substanz übertragen wird.
Rz. 179
Wird deshalb mit einem potentiellen Erwerber anstelle der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils oder eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft ein entgeltliches Nießbrauchsrecht oder ein erhöhtes Gewinnbezugsrecht vereinbart, liegt keine Veräußerung vor.
Rz. 180
Als Veräußerung gelten nach Auffassung der Finanzverwaltung und wesentlicher Teile der Literatur auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Demgegenüber will der BFH im Fall der Insolvenz zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits differenzieren:
Ertragsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft zu einer Veräußerung gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG. Erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags. Folglich fällt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 1 ErbStG anteilig rückwirkend weg. Bei Personengesellschaften führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar ebenfalls zur Auflösung der Gesellschaft, ertragsteuerlich hingegen nicht zu einer Betriebsaufgabe und der Erfassung eines entsprechenden Veräußerungsgewinns i.S.d. § 16 EStG. Demzufolge hat die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft nicht die Folge, dass nachträglichen (ggf. anteilig) der Verschonungsabschlag wegfällt. Ein Behaltenspflichtverstoß liegt nach dem BFH demnach erst dann vor, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb endgültig einstellt oder soweit er wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Dies gilt – natürlich – auch hinsichtlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer (Unter-)Personengesellschaft, an der eine Oberpersonengesellschaft beteiligt ist.
Rz. 180.1
So erfreulich die Entscheidungen des BFH aus der Sicht der Steuerpflichtigen, und so nachvollziehbar die eng am Gesetzeswortlaut orientierte Argumentation nachvollziehbar ist, es verbleibt ein Störgefühl. Es scheint immer wieder das Bestreben des Gesetzgebers zu sein, im Ertragsteuerrecht wie auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer rechtformneutrale Regelungen zu finden. Wenn der BFH dann bei den Personengesellschaften zu dem Ergebnis kommt, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein noch nicht zum Wegfall des Verschonungsabschlags führt, dann wäre es mindestens genauso nachvollziehbar, aus Gründen der Rechtsformneutralität, bei Kapitalgesellschaften für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer diesen Regeln zu folgen – unabhängig davon, was das Ertragsteuerrecht in diesem Fall tut.
Rz. 181
War der Erwerber begünstigter Anteile an einer Gesellschaft i.S.d. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 BewGvor dem maßgebenden Besteuerungszeitpunkt an dieser Gesellschaft beteiligt, kann bei einer teilweisen Veräußerung seines Anteils regelmäßig davon ausgegangen werden, dass er zunächst die ihm bereits früher gehörenden Anteile veräußert.
Rz. 182
Ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen liegt auch vor, wenn eine, mehrere oder alle im Besteuerungszeitpunkt wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Dies gilt nicht, soweit sie zum jungen Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG gehörten.
Rz. 183
Die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapital- oder eine Personengesellschaft (§§ 20, 24 UmwStG) gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen ist selbst kein Verstoß gegen die Behaltensregelungen. Dies gilt auch für die formwechselnde Umwandlung, Verschmelzung oder Realteilung von Personengesellschaften, soweit der Realteiler nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter erhält. Voraussetzung ist in all diesen Fällen allerdings, dass die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäi...