Rz. 6
Für nicht laufend veranlagte Steuern – (s. Rz. 5) – lässt § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG bei Eintritt der auflösenden Bedingung eine Berichtigung der bisherigen Steuerfestsetzung zu. Die für den bisher Berechtigten festgesetzte Einzelsteuer wird nach dem "tatsächlichen Wert des Erwerbs" berichtigt. Die Auffassungen, was als "tatsächlicher Wert des Erwerbs" zu verstehen ist, sind nicht einheitlich. Nach der wohl überwiegenden Meinung umfasst der "tatsächliche Wert des Erwerbs" zum einen alles, was der Erwerber von der Substanz des Erwerbs für sich verwendet hat, ohne regresspflichtig zu sein. Zum anderen umfasst er den Wert der Erträge, die ihm während seiner Berechtigungszeit zugeflossen sind. Der Kapitalwert dieses Zuflusses ist nach § 13 Abs. 1 BewG auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Erwerbs zu ermitteln. Nach anderer Auffassung wird bei dieser Berechnung die Besteuerungsgrundlage in ungerechtfertigter Weise um den kapitalisierten Ertrag der Nutzung erhöht. Dieses Ergebnis sei systemwidrig und vom Wortlaut des § 5 BewG her nicht zwingend geboten. "Wert des tatsächlichen Erwerbs" kann auch in dem Sinne verstanden werden, dass darunter nur der Wert der dem Vorerwerber verbleibenden Substanz, nicht die Nutzungen an der Substanz fallen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass § 29 ErbStG eine Sonderregelung für den Bereich der Erbschaftsteuer enthält, die § 5 Abs. 2 BewG insoweit vorgeht. Nach § 29 ErbStG hat der Beschenkte, der ein Geschenk aufgrund eines Rückforderungsrechtes zurückzugeben hat, nur die gezogene Nutzung – wie ein Nießbraucher – zu versteuern. Insoweit ist die Streitfrage derzeit nur für die Grunderwerbsteuer relevant.
Beispiel
Das FG Bremen hat sich im Urteil v. 6.5.1971 mit der angeschnittenen Frage in einem Sonderfall befasst. Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt erbte die A ein Vermögen von 11 500 DM, an dem ihrer Mutter der Nießbrauch zustand. Falls die A über diesen Erbteil verfügen wollte, hatte sie nach dem Testament die Hälfte des Erbteils an ihre Mutter herauszugeben. Nach rund zehn Jahren machte die A von ihrem Verfügungsrecht Gebrauch und gab der Mutter die Hälfte des Erbteils heraus. Der Nießbrauch der Mutter erlosch. Der BFH als Revisionsinstanz behandelte den Fall über den Umweg komplizierter Gedankengänge im Ergebnis so, dass die A nur ihren Erbteil abzüglich des auf die Hälfte entfallenden Kapitalwerts der von ihrer Mutter während des zehnjährigen Schwebezustandes gezogenen Nutzungen und abzüglich der abgezinsten Vermächtnisverpflichtung versteuern musste.
Tritt die Bedingung ein, ist die Steuerfestsetzung also rückwirkend zu korrigieren. Hierbei wird wie folgt differenziert: Kann der Eintritt der auflösenden Bedingung nicht mehr bei der Steuerfestsetzung oder in einem Rechtsbehelfsverfahren berücksichtigt werden, ist die (bestandskräftige) Steuerfestsetzung nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 BewG und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berichtigen. Bei dem Bedingungseintritt handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Im Falle bestandskräftiger Bescheide – was insbesondere bei Änderungen nach Jahren der Fall sein dürfte – hilft die Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO, weil die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das Ereignis eintritt. Dadurch können verfahrensrechtlich unproblematisch auflösende/aufschiebende Erwerbe und Lasten noch nachträglich berücksichtigt werden. Für die Berichtigung unerheblich ist mithin die Zeit zwischen der ursprünglichen Steuerfestsetzung und dem Eintritt der Bedingung.