Rz. 15
Die Steuerermäßigung setzt voraus, dass dasselbe Vermögen mehrfach nach dem ErbStG besteuert und die Steuer tatsächlich entrichtet wurde, wobei es sich auch nur um einen Teil des zum ersten Erwerb gehörenden Vermögens handeln kann. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes in Abs. 1 ("nach diesem Gesetz") und Abs. 3. Obwohl die nach dem StraBEG entrichtete Erbschaftsteuer nach § 10 Abs. 1 StraBEG als Einkommensteuer gilt, ist sie als Erbschaftsteuer auf den Vorerwerb einzuordnen. Entgegen der früheren Auffassung der Finanzverwaltung würde ein Nichtabzug dem Sinn und Zweck des § 27 ErbStG widersprechen, eine übermäßige Verminderung des Familienvermögens zu vermeiden.
Rz. 16
Steuerfrei gebliebene Ersterwerbe bleiben unberücksichtigt (z.B. wenn die Steuer nach § 29 ErbStG nachträglich aufgehoben wurde oder die Festsetzungsfrist nach § 169 AO abgelaufen ist). Nach einem DBA freigestelltes Auslandsvermögen wird auch nicht berücksichtigt.
Rz. 17
Ebenso Erwerbe, bei denen nachträglich die Steuer nach § 29 ErbStG aufgehoben oder nach §§ 163, 227 AO erlassen wurde. Eine Stundung ist jedoch unschädlich, unabhängig davon, ob die Steuer für den Ersterwerb oder für den Zweiterwerb gestundet wird.
Rz. 18
Die Steuerermäßigung ist nicht zu gewähren, wenn der Vorerwerb ausschließlich einer ausländischen Erbschaftsteuer unterlegen hat. Ein Verstoß gegen EU-Recht (Art. 63 und Art. 65 AEUV) liegt darin nicht. Mit Urteil vom 30.6.2016 (s.a. Einf. ErbStG Rz. 93) hat der EuGH entschieden, dass kein Verstoß gegen Unionsrecht darin liegt. Die Kohärenz des Steuersystems rechtfertige diese Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, weil dadurch eine Doppelbesteuerung desselben Vermögens in Deutschland vermieden werde. Mit Beschluss vom 20.1.2015 hatte der BFH die Frage, ob die fehlende Einbeziehung ausländischer Erbschaftsteuer in die Steuerermäßigung des § 27 ErbStG gegen die europarechtlich geschützte Kapitalverkehrsfreiheit der Art. 63, 65 AEUV verstößt, dem EuGH vorgelegt.
Rz. 19
Basierend auf der Entscheidung des EuGH hat der BFH mit Urteil vom 27.9.2016 bestätigt, dass bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG zu gewähren ist. Die bloße Anrechnung einer ausländischen Steuer nach § 21 ErbStG genügt auch nicht, weil Vorerwerbe, die nur im Ausland steuerpflichtig sind, nicht zu einer Minderung der Erbschaftsteuer führen und § 27 Abs. 1 ErbStG ein "Erheben der Steuer" nach dem ErbStG voraussetzt. Lediglich wenn die für einen Vorerwerb nach ausländischem Recht festgesetzte Erbschaftsteuer beim nachfolgenden inländischen Erwerb noch nicht bezahlt war, kann diese als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden, weil mangels eigener Steuer des Erwerbers § 10 Abs. 8 ErbStG dem Abzug nicht entgegen-steht (s.a. § 10 ErbStG Rz. 256).
Rz. 20
Anders als bei § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG wird keine strenge gegenständliche Identität des Vermögens verlangt (s. § 13 ErbStG Rz. 71), es genügt, wenn Surrogate des Vermögens (so wie im Erbrecht auch, s. §§ 2019, 2041, 2111 BGB) übergehen (z.B. der Verkaufserlös des vom ersten Erwerber verkauften Gegenstands). Im Gegensatz zum Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ist nur von "Vermögen" und nicht von "Vermögensgegenständen" die Rede.
Rz. 21
Bloße Wertminderungen des Vermögens sind unschädlich, solange kein Verbrauch des beim ersten Erwerb vorhandenen Vermögens nachgewiesen werden kann (s. R E 27 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019). Ist zwischen den beiden Erwerben eine Wertminderung eingetreten, so darf nur der geminderte Wert im Zeitpunkt des Nacherwerbs angesetzt werden.
Rz. 22
Wertsteigerungen des Vermögens zwischen den beiden Erwerben werden nicht in die Ermäßigung einbezogen (s. R E 27 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019), weil im Umfang dieser Wertsteigerungen nicht dasselbe Vermögen besteuert wird. Wertzuwächse, die nur auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen sind, werden jedoch von der Finanzverwaltung begünstigt (zumindest in Bayern), z.B. wenn nach Ausscheiden des Wertzuwachses gemäß R E 27 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019 nicht festgestellt werden kann, ob beim zweiten Erwerb eigenes Vermögen des Erblassers oder ererbtes Vermögen übergegangen ist, soll der Wert eines übergegangenen Anteils nach dem beim Erwerb des ersten Erwerb vorhandenem Beteiligungsverhältnis in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen aufgeteilt werden.
Rz. 23
Im Fall der Vor- und Nacherbschaft sieht die Finanzverwaltung, falls der Nacherbfall nicht durch den Tod des Vorerben eintritt (§ 6 Abs. 3 ErbStG), den Erwerb des Vorerben nicht als belasteten Vorerwerb an (R E 27 Abs. 3 ErbStR 2019), weil § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG bereits eine Anrechnung d...