Rz. 30
Die wichtigste Bedeutung dieser seit dem ErbStG v. 10.8.1925 textlich unveränderten Regelung, die unstreitig sowohl im Erbfall als auch bei Schenkungen gilt, erschließt sich aus einem Umkehrschluss i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG. Jede Schuldbefreiung eines Schuldners unterliegt der Erbschaft- und Schenkungsteuer, unabhängig davon, ob sie letztwillig oder freigebig verfügt wird.
Rz. 31
Steuerfrei ist die hiermit verbundene Bereicherung des Schuldners nur, wenn die Schuld
- entweder zum Zwecke der Ausbildung des Schuldners entstand
- oder soweit sie der Befriedigung seines angemessenen Unterhalts diente (s. auch § 13 Abs. 2 ErbStG – hierzu § 13 ErbStG Anm. 112) –
- oder, falls aus anderen Gründen zustande gekommen, gerade wegen einer Notlage des Schuldners – aber ohne diese zu beseitigen – erlassen wurde.
Rz. 32
Letzteres betrifft die Schuldbefreiung aus Sanierungsgründen und ermöglicht umkehrschließend weitere Folgerungen: Alle zum Zwecke der Sanierung des Bedachten erfolgten Zuwendungen sind demnach schenkungsteuerbar; der jeder Sanierungsmaßnahme immanente Wille des Zuwenders zur Bereicherung des Erwerbers ist zwar lediglich ein bloßes, insoweit unbeachtliches Motiv, indiziert jedoch eine im nicht unerheblichen Interesse des Begünstigten liegende Zweckschenkung und damit, insb. auch bei gesellschaftsrechtlicher Verbindung (s. § 7 ErbStG Anm. 102, 617, 630, 660–662) oder geschäftlichen Beziehungen der Beteiligten (s. § 7 ErbStG Anm. 430 ff., 437 ff.), das zur Freigebigkeit grundsätzlich genügende Merkmal der Kenntnis des Schenkers um die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung. Für die Steuerbarkeit einer wirksamen Schuldbefreiung (s. § 7 ErbStG Anm. 30 ff.) – durch Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB), negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB), Schuldübernahme (§§ 414, 415 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Drittleistung mit Tilgungswirkung (§§ 267, 362, 422 Abs. 1 [426 Abs. 1 Satz 1] BGB) – kommt es nicht auf den Wert der Gläubigerforderungen an. Da die Notlage des Schuldners fortdauern muss, gewährt das Gesetz eine vollständige Steuerfreiheit nur für schuldbefreiende Maßnahmen bei faktisch wertlosen Forderungen und Nichteintritt der eigentlich beabsichtigten Sanierung des Schuldners.
Rz. 32.1
Die erfolgreiche Sanierung eines Schuldners ist daher stets schenkungsteuerpflichtig und, da auf eventuelle Sanierungsgewinne ggf. anfallende Einkommen-/Körperschaft- und Gewerbesteuern seit 1.1.1998 infolge Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. jedenfalls aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht erlassen werden dürfen, grundsätzlich auch ertragsteuerpflichtig. Beachten Sie: Bislang scheiterte die Schenkungsteuerpflicht solcher Steuererlasse wegen angeblich fehlender objektiver Freigebigkeit der öffentlichen Hand (kritisch: § 7 ErbStG Anm. 438 ff., § 13 ErbStG Anm. 141). Nur bei eindeutig kompetenzwidrigem Handeln sind, so die amtlich veröffentlichte Auffassung des II. BFH-Senats, schenkungsteuerbare Zuwendungen durch Behörden denkbar. Nachdem der Große Senat des BFH der Finanzverwaltung kürzlich attestierte, dass sie mit ihrem Sanierungserlass gegen den aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Vorrang des Gesetzes verstieß, müssten sämtliche hierauf gestützten Billigkeitsmaßnahmen der Vergangenheit konsequent den zuständigen Schenkungsstellen zwecks Prüfung ihrer Steuerpflicht mitgeteilt werden (s. auch § 13 ErbStG Anm. 36). Erst wenn die in rascher Reaktion auf das Verdikt des BFH initiierte, mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen inzwischen gesetzlich angeordnete Steuerbefreiung von Sanierungserträgen irgendwann nach erhoffter Zustimmung der Europäischen Kommission den Verzicht auf einen ertragsteuerlichen Zugriff legitimieren sollte, wird sich die Frage nicht mehr stellen, ob eine schenkungsteuerliche Erfassung derselben Bereicherung zwecks Vermeidung einer kumulativen Besteuerung entfällt oder nicht.
Rz. 33
Weitere, nicht schuldbefreiende Sanierungszuwendungen sind selbstverständlich nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerbefreit. Darüber hinaus führen sie zu einer partiellen Versagung der Steuerfreiheit des Schulderlasses (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 ErbStG). Dies gilt bislang unstreitig bei Gleichzeitigkeit des Erwerbs; Grund hierfür ist sicherlich die durch den zusätzlichen Erwerb materieller Vermögensgegenstände zumindest teilweise verbesserte Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Ebenso vermögensmehrend wirken derartige Zuwendungen aber auch, wenn sie dem Schulderlass, der ohnehin "faktisch" zurückwirkt, nachfolgen oder von anderen Schenkern kommen.
Rz. 34
Unter den Voraussetzungen des § 14 ErbStG nimmt man allerdings eine fiktive Gleichzeitigkeit aller von demselben Schenker herrührender Erwerbe auf den Zeitpunkt des jeweiligen Letzterwerbs an, so dass die hierfür festzusetzende Steuer bei wortlautgemäßer A...