Kai-Thorsten Röller, Carolin Babel
Die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG wurde durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (BGBl I 2009, 3950) mit Wirkung ab dem 01.01.2010 in das Gesetz eingefügt und befreit unter restriktiven Voraussetzungen bestimmte konzerninterne Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer. Voraussetzung für diese Steuervergünstigung ist, dass an dem Erwerbsvorgang ein herrschendes Unternehmen und mindestens eine abhängige Gesellschaft beteiligt ist (Konzern nach § 6a GrEStG). Der zu dieser Vorschrift ergangene gleichlautende Ländererlass (Gleichlautender Ländererlass vom 19.06.2012, BStBl I 2012, 662) machte es dem Rechtsanwender nicht einfach, wohl auch aufgrund der teils einschränkenden, teils ausdehnenden Interpretation der Norm. Aufgrund mehrerer Urteile des BFH zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 21. und 22.08.2019 wurde der gleichlautende Ländererlass im Jahr 2020 neu gefasst (Gleichlautender Ländererlass vom 22.09.2020, BStBl I 2020, 960). Damit wurden einige, jedoch nicht alle Unklarheiten bei der Anwendung des § 6a GrEStG beseitigt. Der Erlass legt insbesondere den Begriff des herrschenden Unternehmens sowie die Behaltensfristen zugunsten des Steuerpflichtigen weiter aus, als es die Finanzverwaltung bisher im Vorgängererlass getan hat, und setzt insoweit die BFH-Rechtsprechung um.
Ebenfalls durch Initiative des Finanzausschusses (BT-Drs. 19/7959 vom 20.02.2019, 36) wurde die Ergänzung des Satzes 5 in § 6a GrEStG vorgenommen, die erreicht, dass die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG nicht allein dadurch entfällt, dass das VK aus der EU austritt.
Fallbeispiel 2
An einer britischen Limited mit inländischem Verwaltungssitz ist nur ein Gesellschafter beteiligt. Die Limited ist als herrschendes Unternehmen oder als abhängige Gesellschaft an einem Erwerbsvorgang i. S. v. § 6a Satz 1 GrEStG beteiligt. Innerhalb von fünf Jahren vor dem Brexit wurde eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG gewährt.
Lösung
Durch den Austritt des VK aus der EU tritt der Alleingesellschafter an die Stelle der Limited. § 6a Satz 4 GrEStG setzt aber voraus, dass das herrschende Unternehmen an der oder den abhängigen Gesellschaften für mindestens fünf Jahre nach dem grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang mit mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt bleiben muss. Soweit die Limited daher durch ihren Alleingesellschafter "ersetzt" wird, wird die Nachbehaltensfrist gem. § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten. Dies hätte zur Folge, dass durch den Austritt Grunderwerbsteuer anfällt.
Der Gesetzgeber hat zutreffend erkannt, dass der Brexit einen steuerschädlichen Einfluss auf die Einhaltung der Nachbehaltensfristen haben kann, wenn eine britische Limited mit inländischem Verwaltungssitz als herrschendes Unternehmen oder abhängige Gesellschaft an einer vor dem Brexit durchgeführten und von § 6a GrEStG begünstigten Umstrukturierung beteiligt war (vgl. Fleischer/Keul, DB 2019, 2043). Durch die Ergänzung des Satzes 5 in § 6a GrEStG hat der Gesetzgeber geregelt, dass Satz 3 nicht gilt, soweit allein durch den Austritt des VK aus der EU das herrschende Unternehmen nicht i. S. v. Satz 4 innerhalb von fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Das bedeutet, dass keine schädliche Verletzung der Nachbehaltensfrist vorliegt, wenn diese allein – wie im Fallbeispiel – auf dem Austritt des VK aus der EU basiert.