Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen für erst nach dem Bilanzstichtag für drei Folgejahre festgesetzte Zusatzbeiträge an die Handwerkskammer
Leitsatz (redaktionell)
Setzt die Vollversammlung einer Handwerkskammer auf der Grundlage der Beitragsordnung stets bereits im laufenden Jahr jeweils allgemein die Höhe u. a. eines Zusatzbeitrags für das kommende Jahr fest, ergeht der Beitragsbescheid für den Zusatzbeitrag gegenüber dem einzelnen Handwerksbetrieb im Frühjahr des Folgejahres und wird die Höhe des Zusatzbeitrags über viele Jahre hinweg stets mit einem bestimmten gleich bleibenden Prozentsatz des drei Jahre vor dem Beitragsjahr erzielten gewerbesteuerlichen Gewerbeertrags festgelegt, so ist der einzelne Handwerksbetrieb berechtigt, am Bilanzstichtag für die Zusatzbeiträge der nächsten drei Jahre nach dem Bilanzstichtag eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit zu bilden, da insoweit am Bilanzstichtag bereits die Erhebungszeiträume abgelaufen sind, deren Gewerbeertrag die Bemessungsgrundlage für die Zusatzbeiträge in den ersten Jahren nach dem Bilanzstichtag bildet, und wenn auch künftig sehr wahrscheinlich mit einer unveränderten Praxis bei der Festsetzung der Zusatzbeiträge zu rechnen ist.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid für 2009 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag und der Bescheid für 2009 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 10.08.20012 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2014, werden dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer und der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung weiterer Rückstellungen iHv 12.804,00 EUR niedriger festgesetzt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Beträge wird dem Beklagten aufgegeben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bildung einer Rückstellung für Zusatzbeiträge an die Handwerkskammer.
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2009) aus dem Betrieb eines Einzelunternehmens Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelt der Kläger durch Betriebsvermögensvergleich.
Der Kläger ist Mitglied der Handwerkskammer. Diese erhebt von ihren Mitgliedern Beiträge. Die Beiträge werden von der Kammer auf Grundlage des § 113 Handwerksordnung (HwO) in Verbindung mit der Beitragsordnung der Handwerkskammer in der seit dem 08.04.2005 gültigen Fassung (BeitragsO) für jedes Kalenderjahr festgesetzt. Der Beitrag setzt sich zusammen aus einem Grundbeitrag und einem Zusatzbeitrag (§ 4 Abs. BeitragsO). Die Bemessungsgrundlagen, das Bemessungsjahr sowie die Beitragshöhe werden jährlich durch die Vollversammlung der Handwerkskammer beschlossen (§ 4 Abs. 3 BeitragsO). Wegen der Einzelheiten wird auf die Beitragsordnung Bezug genommen.
Die Festsetzung der Zusatzbeiträge erfolgte über Jahre hinweg in gleicher Weise. Auf Grundlage der Beitragsordnung setzte die Vollversammlung der Handwerkskammer jeweils im letzten Quartal eines Jahres allgemein die Höhe des Grundbeitrags und des Zusatzbeitrags für das kommende Beitragsjahr fest (Beitragsmaßstab i. S. des § 113 Abs. 1 HwO). Der Beitragsbescheid gegenüber dem einzelnen Handwerksbetrieb erging dann im Frühjahr des darauffolgenden Jahres (Beitragsjahr). Die Höhe des Zusatzbeitrags wurde seit 2001 stets mit 1,5% des Gewerbeertrags nach dem Gewerbesteuergesetz (hilfsweise des Gewinns aus Gewerbebetrieb) des Bemessungsjahrs festgelegt. Als Bemessungsjahr wurde jeweils das drei Jahre vor dem Beitragsjahr liegende Steuerjahr bestimmt.
Am 24.10.2009 beschloss die Vollversammlung der Handwerkskammer, dass der Zusatzbeitrag für 2010 1,5% des Gewerbeertrags (bzw. des Gewinns aus Gewerbebetrieb) 2007 beträgt. Auf dieser Grundlage erließ sie unter dem 06.04.2010 gegenüber dem Kläger einen entsprechenden Beitragsbescheid für 2010. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss der Vollversammlung und den Beitragsbescheid Bezug genommen. Beschlüsse der Vollversammlung und entsprechende Beitragsbescheide für danach liegende Kalenderjahre lagen bei Aufstellung der Bilanz des Klägers auf den 31.12.2009 am 27.10.2010 noch nicht vor.
Der Kläger ging davon aus, dass die langjährige gleichbleibende Festsetzungspraxis auch in Zukunft wegen des Prinzips der gleichmäßigen Beitragsfestsetzung fortgesetzt werde. Infolgedessen stand für den Kläger die Höhe seines Zusatzbeitrags für die Jahre 2010, 2011 und 2012 aufgrund seines Gewerbeertrags der Jahre 2007, 2008 und 2009 bereits zum 31.12.2009 im Wesentli...