Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
LG Erfurt (Aktenzeichen 1 HKO 336/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Erfurt vom 19.2.2002 – 1 HKO 336/01 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 Euro nicht.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe in verschiedenen Fällen bei ihr unter Vertrag stehende Arbeitnehmer im häuslichen Bereich angerufen und abzuwerben versucht. Sie hat die Auffassung vertreten, dass dieses Verhalten der Beklagten wettbewerbswidrig sei. Mit ihrer Klage hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung bezüglich der telefonischen Kontaktaufnahme im häuslichen Bereich zum Zwecke des Anbietens von Arbeitsverträgen sowie Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht begehrt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Insoweit wird zur ergänzenden Darstellung auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie beruft sich dabei zudem auf einen weiteren Anruf im häuslichen Bereich sowie auf einen Anruf, der den abzuwerbenden Arbeitnehmer auf seinem privaten Mobiltelefon an seinem Arbeitsplatz erreicht habe. Außerdem beantragt sie die Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung des Revisionsverfahrens gegen ein Urteil des OLG Karlsruhe (Az. I ZR 221/01). Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Aus i.E. zutreffenden Erwägungen heraus hat das LG Ansprüche der Klägerin nach § 1 UWG verneint und die Klage abgewiesen.
Grundsätzlich stellt das Abwerben bzw. Ausspannen von Beschäftigten eines Konkurrenten ein zulässiges Mittel des Leistungswettbewerbs dar (BGH GRUR 1966, 263 – Bau-Chemie). Dies findet seine Begründung nicht nur in der Freiheit des Wettbewerbs selbst, sondern auch in der – zunehmend an Bedeutung gewinnenden – beruflichen Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer. Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist deshalb erst dann anzunehmen, wenn besondere Umstände zu dem Abwerbungsversuch hinzutreten, so etwa die Anwendung eines unlauteren Mittels oder die Verfolgung eines verwerflichen Ziels. Wichtigste Fallgruppe ist das als unlauter zu wertende Verleiten zum Vertragsbruch (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 23. Aufl., § 1 Rz. 584). Dafür, dass die Beklagte Mitarbeiter der Klägerin aufgefordert hätte, bestehende vertragliche Pflichten zu verletzen, oder einen Vertragsbruch auch nur ausgenutzt hätte, sind vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Aber auch das Verleiten zur Vertragsauflösung kann wettbewerbswidrig sein, wenn besondere Begleitumstände die Sittenwidrigkeit der Abwerbung begründen. Als solche Begleitumstände sind anerkannt die verwerfliche Willensbeeinflussung, das planmäßige Abwerben zum Zwecke der Behinderung oder Ausbeutung des Mitbewerbers sowie der Missbrauch eines Vertrauensverhältnisses (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 23. Aufl., § 1 Rz. 586 ff.).
Eine verwerfliche Willensbeeinflussung der angesprochenen Arbeitnehmer durch die Beklagte liegt nicht vor. Insbesondere hat keine unlautere Anschwärzung des Geschäftsbetriebes der Klägerin bei den Abwerbeversuchen stattgefunden. Nicht ausreichend dafür ist die vorgetragene Erkundigung des Anrufers, ob die Mitarbeiterinnen der Klägerin zufrieden seien bzw. regelmäßig ihren Lohn bekämen. Eine verwerfliche Willensbeeinflussung kann darin nicht gesehen werden, weil durch den Anruf nicht etwa mit einer unwahren Angabe, Lohn bliebe aus, Unsicherheit bei den Angerufenen hervorgerufen wurde. Vielmehr hält sich die Erkundigung nach der Zufriedenheit und der Lohnzahlung im Rahmen dessen, was bei einem Abwerbeversuch grundsätzlich noch zulässig ist. Es ist auch nicht vorgetragen, dass die Anrufe unter Verschleierung des wirklichen Anrufenden stattgefunden hätten. Selbst wenn einmal der (möglicherweise falsche) Name „N.” genannt wurde, so geschah auch dies nach dem Vortrag der Klägerin in Verbindung mit der offen gelegten Geschäftsbezeichnung der Beklagten „I.”.
Auch auf ein planmäßiges Ausspannen seitens der Beklagten kann sich die Klägerin nicht berufen. Zwar ist nicht die Anzahl der Abwerbeversuche maßgebend, wohl aber der Umstand, ob die abzuwerbenden Mitarbeiter für den Geschäftsbetrieb besonders wertvoll sind oder sonst von Bedeutung sind. Jedenfalls aber muss es zu einer ernsthaften Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes der Klägerin gekommen sein (vgl. BGH GRUR 1966, 263 Bau-Chemie; Baumbach/Hefermehl, UWG, 23. Aufl., § 1 Rz. 588 f.). Das ist gerade in Hinblick auf die Größe des Unternehmens der Klägerin und die Vielzahl ihrer Mitarbeiter nicht ersichtlich und, obwohl erforderlich, nicht näher dargelegt. Deshalb ist davon auszugehen, dass die im Recht...