BMF, Schreiben v. 9.10.2018, IV B 2 - S 1304/17/10001, BStBl I 2018, 1122
Merkblatt |
zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet |
der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen |
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für das internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen folgendes Merkblatt:
ABl. EU |
Amtsblatt der Europäischen Union |
Abs. |
Absatz |
AO |
Abgabenordnung |
Art. |
Artikel |
BZSt |
Bundeszentralamt für Steuern |
BFH |
Bundesfinanzhof |
BGBl |
Bundesgesetzblatt |
BMF |
Bundesministerium der Finanzen |
BStBl |
Bundessteuerblatt |
DBA |
Doppelbesteuerungsabkommen |
d.h. |
das heißt |
EUAHiG |
EU-Amtshilfe-Gesetz |
EStG |
Einkommensteuergesetz |
EU |
Europäische Union |
EuGH |
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften |
EWG |
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft |
ff. |
fortfolgende |
FGO |
Finanzgerichtsordnung |
ggf. |
gegebenenfalls |
Nr. |
Nummer |
OECD |
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |
|
(Organization for Economic Cooperation and Development) |
OECD-MA |
OECD-Musterabkommen |
s. |
Siehe |
S. |
Seite |
sog. |
so genannte |
Tz. |
Textziffer/Textziffern |
vgl. |
Vergleiche |
z.B. |
zum Beispiel |
A. Allgemeines
1 Allgemeines zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren
1.1 Rechtsnatur und Rechtsgrundlage
1.1.1 Internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren sind zwischenstaatliche Verfahren zur übereinstimmenden Anwendung der DBA oder des Übereinkommens vom 23.7.1990 Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (s. BGBl 1993 II S. 1308, BStBl 1993 I S. 818 und BGBl 1995 II S. 84, BStBl 1995 I S. 166 – Schiedskonvention –).
1.1.2 Rechtsgrundlage sind die Verständigungsklauseln der DBA (vgl. Art. 25 OECD-MA) oder die Art. 6 ff. der Schiedskonvention. Sie enthalten Bestimmungen, nach denen die zuständige Behörde in Deutschland mit den zuständigen Behörden anderer Staaten unmittelbar verkehren kann, um eine Einigung über Einzelfälle herbeizuführen, die die Besteuerung in Deutschland oder in einem anderen Staat betreffen. Die Schiedskonvention betrifft nur die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und die Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten. Nach den Verständigungsklauseln der DBA kann darüber hinaus auch über allgemeine Fragen eine Einigung zwischen den zuständigen Behörden herbeigeführt werden.
1.1.3 Die Schiedskonvention ist im Verhältnis zu Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, der Slowakischen Republik, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern anzuwenden (zur Anwendung im Verhältnis zu Österreich, Finnland und Schweden siehe Übereinkommen vom 21.12.1995, ABl. EG 96/C 26/01, BGBl 1999 II S. 1010 und BGBl 2006 II S. 575; zur Anwendung im Verhältnis zu Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakischer Republik, Slowenien, Tschechischer Republik, Ungarn und Zypern siehe Übereinkommen vom 8.12.2004, ABl. EU 2005/C 160/1, BGBl 2006 II S. 554, BGBl 2007 II S. 754 und BGBl 2011 II S. 952; zur Anwendung im Verhältnis zu Bulgarien und Rumänien siehe Beschluss des Rates vom 23.6.2008, ABl. EU 2008/L 174/1; zur Anwendung im Verhältnis zu Kroatien siehe Beschluss des Rates vom 19.12.2014, ABl. EU 2014/L 358/19).
Das Protokoll vom 25.5.1999 zur Änderung der Schiedskonvention (s. BGBl 1999 II S. 1082 und 2005 II S. 635) ist am 1.11.2004 in Kraft getreten. Die Schiedskonvention ist danach rückwirkend zum 1.1.2000 auf unbestimmte Zeit verlängert worden.
1.1.4 Die Verständigungsklauseln der DBA und die Schiedskonvention sind durch die Zustimmungsgesetze unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden und gehen gemäß § 2 AO den deutschen Steuergesetzen vor.
1.2 Verständigungsklauseln nach DBA und Schiedskonvention
1.2.1 Die Verständigungsklauseln der DBA sehen in der Regel vor, dass
- ein Verständigungsverfahren eingeleitet werden kann, wenn eine Person dies beantragt und darlegt, dass Maßnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen oder führen werden, und dem durch Maßnahmen des betreffenden Staates nicht abgeholfen werden kann (Verständigungsverfahren im engeren Sinn);
- Verständigungsverfahren allgemein eingeleitet werden können, um Schwierigkeiten oder Zweifel zu beseitigen, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen; hierzu kann auch ein Einzelfall Anlass bieten oder Gegenstand sein, z.B. wenn Anweisungen oder Richtlinien der ausländischen Finanzverwaltung vorliegen, die zu einer abkommenswidrigen Besteuerung führen können (Konsultationsverfahren);
- Verständigungsverfahren auch über vertraglich nicht geregelte Fragen eingeleitet werden können, z.B. zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Fällen, ...