Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 51
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG unterliegt das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren der GrESt. Es wird also nicht der Übergang des Eigentums aufgrund des Zuschlags (§ 90 Abs. 1 ZVG), sondern das Meistgebot zur Steuer herangezogen. Dieses Gebot entspricht hinsichtlich seiner Wirkungen dem Abschluss eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (vgl. BFH v. 6.6.1984, II R 184/81, BStBl II 1985, 261). Mit dem Meistgebot erlangt der Meistbietende einen Anspruch auf Erwerb des Eigentums am ersteigerten Grundstück durch die Erteilung des Zuschlags (vgl. § 81 Abs. 1 i. V. m. § 90 Abs. 1 ZVG). Folgerichtig ist der Eigentumsübergang im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. c GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Es ist ohne Bedeutung, ob das Meistgebot im eigenen Namen oder im Namen eines anderen abgegeben wird. Das im Zwangsversteigerungsverfahren abgegebene Meistgebot – ggf. zuzüglich der Beträge, hinsichtlich derer der Erwerber nach § 114 a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt – ist auch dann maßgebend, wenn der Erwerber die der Zwangsversteigerung zugrunde liegenden Grundpfandrechte nebst den damit gesicherten Forderungen erworben hatte (BFH v. 8.10.2008, II B 42/08, BFH/NV 2009, 46).
Das Zwangsversteigerungsrecht gibt die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG verwendeten Begriffe vor und diese sind grunderwerbsteuerrechtlich auch i. S. d. Zwangsversteigerungsrechts auszulegen (BFH v. 19.11.1968, II 112/65, BStBl II 1969, 92; BFH v. 23.1.1985, II R 36/83, BStBl II 1985, 339; BFH v. 20.4.2007, II B 69/06, BFH/NV 2007, 1538; BFH v. 14.10.2008, II B 65/07, BFH/NV 2009, 214). Daraus folgt zwingend, dass die Abgabe des Meistgebots den Besteuerungstatbestand darstellt und der meistbietende Steuerschuldner ist. Die Bestimmung des Meistgebots als Besteuerungstatbestand hat zur Folge, dass der weitere Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens nach Abgabe des Meistgebots den verwirklichten Steuertatbestand unberührt lässt. So hat es z. B. keinen Einfluss auf den verwirklichten Tatbestand, wenn der spätere Zuschlag nicht dem Meistbietenden selbst, sondern einem Dritten erteilt wird, an den der Meistbietende seine Rechte aus dem Meistgebot nach § 81 Abs. 2 ZVG abgetreten hat. In diesen Fällen ist auch die Befriedigungsfiktion des § 114 a ZVG (vgl. hierzu § 9 GrEStG Rz. 11f) beim Meistbietenden zu berücksichtigen, weil der Erwerbsvorgang an das obligatorische Rechtsgeschäft, im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG an das Meistgebot anknüpft. Auf Verschaffung der Verfügungsgewalt am Grundstück durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren kann es nicht ankommen (vgl. FG Köln v. 11.12.1991, 11 K 5637/88, EFG 1993, 167). Das Meistgebot unterliegt der GrESt auch dann, wenn der Meistbietende im Auftrag und für Rechnung des späteren Erstehers gehandelt hat. Allerdings ist dies nicht für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG in der Person des Meistbietenden entscheidend, sondern vielmehr dafür, ob der Vertretene den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht hat (vgl. § 81 Abs. 3 ZVG; BFH v. 5.2.1969, II R 19/66, BStBl II 1969, 400). Letzteres ist der Fall, wenn der Meistbietende sein Meistgebot in verdeckter Stellvertretung für einen Dritten (Auftraggeber) abgegeben hat. Der Dritte erlangt hier aufgrund der Verpflichtung des Meistbietenden, ihm die Rechte aus dem Meistgebot zu verschaffen, die Verwertungsmöglichkeit über das Grundstück (vgl. BFH v. 26.3.1980, II R 143/78, BStBl II 1980, 523). Zur Besteuerung des Meistgebots bei mittelbarer und unmittelbarer Stellvertretung siehe Rz. 52b und Rz. 55)
Bei Rücknahmen des Versteigerungsantrags oder bei Bewilligung der einstweiligen Einstellung des Verfahrens oder bei Versagung des Zuschlags aus einem anderen Grund erlischt das Meistgebot mit der rechtskräftigen Versagung des Zuschlags. Damit entfällt auch die Steuerschuld.
Rz. 52
Der Zwangsversteigerung unterliegen lediglich Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht, selbstständiges Gebäudeeigentum i. S. v. § 864 Abs. 1 ZPO) sowie Bruchteile an diesen (vgl. § 862 Abs. 2 ZPO), wie z. B. das Wohnungs- und Teileigentum nach dem WEG. Gebäude, die als bewegliche Sachen gelten (Scheinbestandteile), werden nach der ZPO versteigert. Hier erfolgt der Erwerb des Eigentums originär. Bei der Versteigerung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG entsprechend anzuwenden. Zum Gegenstand der Zwangsversteigerung siehe ausführlich § 9 GrEStG Rz. 11a.
Wird ein herrenloses Grundstück zwangsversteigert, dann ist das Meistgebot steuerpflichtig, obwohl der Erwerb von herrenlosen Grundstücken steuerfrei ist (BFH v. 1.4.1981, II R 87/78, BStBl II 1981, 488).
Rz. 52a
Beim Erwerb eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot auch dann Besteuerungsgrundlage, wenn die Beteiligten außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens andere private Vereinbarungen treffen (BFH v. 3.5.1973, II R 37/68, BStBl II 1973, 709). Das Meistgebot ist ebenfalls zur...