Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 3
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören bei einem Kauf auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen zur Gegenleistung. Diese Einbeziehung "sonstiger Leistungen" in die Gegenleistung ergibt sich eigentlich bereits aus dem allgemeinen Gegenleistungsbegriff. Als sonstige Leistungen sind dementsprechend alle Leistungen des Käufers anzusehen, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl aufgrund ihrer kausalen Verknüpfung mit dem Grundstückserwerb Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (BFH v. 22.5.2002, II R 2/00, BFH/NV 2002, 1612; BFH v. 27.10.2004, II R 22/03, BStBl II 2005, 301, und BFH v. 14.6.2006, II R 12/05, BFH/NV 2006, 2126). Es handelt sich hierbei um Leistungen, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. § 8 GrEStG Rz. 3). Leistungen des Erwerbers im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks, die sich nicht auf das Grundstück i. S. v. § 2 GrEStG beziehen oder für echte selbstständige Nebenleistungen des Veräußerers gewährt werden, sind dagegen keine sonstigen Leistungen bzw. Gegenleistung.
Als übernommene sonstige Leistungen i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kommen Leistungen jeder Art in Betracht, insbesondere die Übernahme von Hypotheken, Grund- und Rentenschulden (vgl. § 442 Abs. 2 BGB n. F.), die Bestellung eines Altenteils, die Leistung von Sachen oder Diensten oder andere geldwerte Vorteile.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG muss es sich um vom Käufer übernommene sonstige Leistungen handeln. Damit knüpft das GrEStG an den bürgerlich-rechtlichen Begriff der „Übernahme" an. Unter übernommenen Leistungen kann man daher zunächst nur solche Verpflichtungen verstehen, die eigentlich den Veräußerer treffen und von diesem zu tragen sind, jedoch vom Käufer vertraglich übernommen worden sind. Eine solche Übernahme setzt daher voraus, dass die entsprechende Verpflichtung vorher beim Verkäufer entstanden sein muss. Übernommene Leistungen können darüber hinaus aber auch solche Verpflichtungen sein, die erst dann in der Person des Käufers entstehen, wenn sich der Erwerber verpflichtet hat, diese zu tragen (vgl. z. B. hinsichtlich übernommener Vermessungskosten BFH v. 21.11.1974, II R 61/71, BStBl II 1975, 362, und BFH v. 23.8.1995, II R 93/92, BFH/NV 1996, 354).
Die Annahme einer vom Käufer übernommenen sonstigen Leistung ist nicht davon abhängig, dass die sonstige Leistung dem Veräußerer selbst zufließt (BFH v. 3.8.1988, II R 210/85, BStBl II 1988, 900).
Rz. 3a
Betrifft eine sonstige Leistung eine Werterhöhung des zu erwerbenden Grundstücks (z. B. bei einer noch durchzuführenden Bebauung), entscheidet sich die Einbeziehung der Gegenleistung nach dem für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Grundstückszustand (vgl. dazu Rz. 34ff. und § 8 GrEStG Rz. 2). Eine sonstige Leistung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist auch die Befreiung des Grundstücksveräußerers von einer Verbindlichkeit durch den Erwerber (BFH v. 8.6.2005, II R 26/03, BStBl II 2005, 613). Nach BFH v. 27.8.2003, II R 27/01, BFH/NV 2004, 226, stellt beim Erwerb einer Eigentumswohnung mit Modernisierungsverpflichtung die verbindliche Zusage des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer zur Übernahme der diesen als Miteigentümer zukünftig treffenden Verpflichtungen gegenüber der Eigentümergemeinschaft grunderwerbsteuerrechtlich keine Gegenleistung dar. Eine sonstige Leistung des Erwerbers liegt demgegenüber vor, wenn der Erwerber den Veräußerer von den in seiner Person bereits entstandenen Verbindlichkeiten gegenüber der Miteigentümergemeinschaft befreit.
Rz. 3b
Vom Grundstückserwerber übernommene Kosten der Übergabe der verkauften Sache, wie die Vermessungskosten (BFH v. 30.8.2017, II R 48/15, BStBl II 2018, 24 Rz. 36) oder die Kosten für die Löschung von Hypotheken, Grund- und Rentenschulden, Dienstbarkeiten, Reallasten usw., die nach § 448 Abs. 1 BGB vom Verkäufer zu tragen wären, gehören als sonstige Leistungen i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zur Gegenleistung (vgl. Rz. 4j). Zur Gegenleistung rechnen auch die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen, wie z. B. das kurzfristige Weiterbewohnen eines veräußerten Grundstücks durch den Verkäufer (vgl. Rz. 5-5d) oder die Belastung des Grundstücks mit einem Wegerecht (BFH v. 30.8.2017, II R 48/15, BStBl II 2018, 24 Rz. 37). Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung der Gegenleistung lässt es die Finanzverwaltung zu, dass Ermittlungen allein wegen des Werts dieser sonstigen Leistungen oder vorbehaltenen Nutzungen außer Betracht bleiben, wenn angenommen werden kann, dass deren Wert nicht mehr als 2.500 EUR beträgt. In diesen Fällen kann der Wert der sonstigen Leistungen oder der Wert der vorbehaltenen Nutzungen außer Ansatz bleiben. Sind allerdings Ermittlungen aus anderen Gründen notwendig, sind auch Feststellungen wegen des Werts der sonstigen Leistungen bzw. der vorbehaltenen Nutzungen zu ...