Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 51a
Liegen die Voraussetzungen des einheitlichen Vertragswerks vor, hat dies gravierende Auswirkungen.
Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage erhöht sich ("große Grunderwerbsteuer"). Dies kann zu steuerlichen Belastungen führen, welche die grundstücksbezogenen Kosten um ein Mehrfaches übersteigen.
Gerade bei geschlossenen Immobilienfonds sind Gestaltungen anzutreffen, wo auf einem Grundstück, das zwar für sich absolut gesehen einen respektablen Wert darstellt, eine Bebauung erfolgt, die diesen Wert relativiert. So kann einem Grundstückswert von z. B. 10 Mio. EUR durchaus ein Bauvolumen von 50 oder 80 Mio. EUR gegenüberstehen.
Sind dann wie oben dargestellt noch weitere Paketleistungen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, verschärft sich die Belastung nochmals.
Da mittlerweile der Grunderwerbsteuersatz in vielen Bundesländern angehoben wurde, verstärken sich diese Wirkungen ein weiteres Mal. Diese Belastungssteigerung entzieht mit der Erweiterung der Bemessungsgrundlage durch das einheitliche Vertragswerk der Attraktivität derartiger Konstruktionen den Boden.
Dem Institut des "einheitlichen Vertragswerks" stehen auch europarechtliche Bedenken nicht entgegen. Das Niedersächsische Finanzgericht hatte zwar mit Beschluss v. 2.4.2008, 7 K 333/06, EFG 2008, 975, die Europarechtskonformität der Einbeziehung künftiger Bauleistungen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage infrage gestellt und dem EuGH folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Verstößt die Erhebung der deutschen Grunderwerbsteuer auf künftige Bauleistungen durch deren Einbeziehung in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks (sog. einheitlicher Leistungsgegenstand bestehend aus Bauleistungen sowie Erwerb des Grund und Bodens) gegen das europäische Umsatzsteuer-Mehrfachbelastungsverbot des Art. 401 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (einst: Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie), wenn die grunderwerbsteuerlich belasteten Bauleistungen zugleich als eigenständige Leistungen der deutschen Umsatzsteuer unterliegen?"
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bestehen grundsätzliche europarechtliche Bedenken gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zur Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei Vorliegen des einheitlichen Leistungsgegenstands "bebautes Grundstück". Insbesondere verstoße die entsprechende Erhöhung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot einer Mehrfacherhebung von der Mehrwertsteuer ähnlichen Verbrauchsteuern. Sie sei auch nicht mit dem EuGH v. 8.7.1986, Rs. 73/85, HFR 1986, 487, und der umsatzsteuerlichen Rechtsprechung des BFH vereinbar.
Im konkreten Fall beauftragten die Klägerin und ihr Ehemann ein Bauunternehmen mit der Errichtung eines Einfamilienhauses. Sie erwarben hierzu von einer Grundstücksgesellschaft ein unbebautes Grundstück, das diese zuvor zusammen mit anderen Baugrundstücken gekauft hatte. Dem notariellen Grundstückskaufvertrag war ein Bebauungsplan für die Baugrundstücke beigefügt, in dem das von der Klägerin und ihrem Ehemann beauftragte Bauunternehmen benannt ist. Der Gesellschafter-Geschäftsführer des Bauunternehmens war zugleich Beteiligter der Grundstücksgesellschaft.
Das beklagte Finanzamt nahm aufgrund des Zusammenwirkens der Veräußererseite (Grundstücksgesellschaft und Bauunternehmen) und im Hinblick auf die bestehende personelle Verflechtung als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das künftig bebaute Grundstück an und bezog die künftigen Baukosten in die Bemessungsgrundlage mit ein.
Der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts konnte nicht beigepflichtet werden. Die entscheidungserhebliche Frage, ob die Grunderwerbsteuer eine in ihrer Ausgestaltung der Umsatzsteuer vergleichbare Steuer darstellt, muss verneint werden. Der EuGH hat bereits in seiner Entscheidung vom 8.7.1986 die deutsche Grunderwerbsteuer nicht als Umsatzsteuer qualifiziert. Grundsätzliche Unterschiede zwischen der Umsatzsteuer und der Grunderwerbsteuer sind offenkundig (vgl. hierzu die Ausführungen von Hahne, BB 2008, 1047).
Auch nach Auffassung des BFH (vgl. Urteil v. 2.4.2008, II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268) hat die deutsche Grunderwerbsteuer nicht den Charakter einer Umsatzsteuer. Die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer sind nach der Rechtsprechung des EuGH: allgemeine Geltung der Mehrwertsteuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung dieser Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer, sodass sich diese Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehr...