Nach fast 20 Jahren Selbständigkeit hatte Holger Petersen das Gefühl, mit seinen vorhandenen Strukturen den künftigen Anforderungen an die Steuerberaterbranche nicht mehr genügen oder die Entwicklung nicht schnell genug bewerkstelligen zu können.
Mich leitet der Gedanke, dass ein Teil der Wertschöpfungskette, mit dem wir Steuerberater heute noch gut Geld verdienen, künftig wegfallen wird.
Was bleibt, sei aber die Fähigkeit von Steuerberatern, Mandanten als Coach zu begleiten – auch über die steuerlichen Themen hinaus. Deshalb entwickelte Petersen auch bereits vor der Gründung seiner Startup-Kanzlei taxfba ein neues, mandantenfokussiertes Produkt: den "Monatsabschluss mit Monatsgespräch".
Kanzlei-Profil: Die TAXFBA Steuerberatungsgesellschaft mbH ist ein Steuerberatungsunternehmen auf der Höhe der Zeit: Volldigital und in der Lage, Mandanten aus dem Online-Handel auch im globalen Handel durch das internationale Kontaktnetzwerk mit anderen Kanzleien zu betreuen. Die Kanzlei glänzt mit einem internationalen Team, das Mandanten aus der ganzen Welt englischsprachig betreut. |
Neuer Ort, neue Mandanten
Petersen entschied sich 2017 für einen kompletten Neuanfang, nicht nur hinsichtlich der Arbeitsweise und Ausrichtung seiner Beratung, sondern auch im Hinblick auf die Wahl des Standorts. Er gründete die neue Kanzlei im Herzen von Hamburg, fernab des alten Hauptsitzes in einer kleinen Gemeinde nahe Flensburg. Das Risiko war groß: Mit nur vier Mitarbeitern und 100.000 EUR Umsatz im Gepäck wagte er den Schritt in die Digitalisierung, ohne einen einzigen Mandanten mitzunehmen.
Den Neuanfang habe ich auf komplett digitales Arbeiten ausgerichtet – obwohl wir natürlich auch nicht von Anfang an alles konnten. Das ständige Dazulernen haben wir aber von vornherein eingeplant und fest in die DNA von taxfba verankert.
Der Fokus auf Online-Händler ergab sich aus der Chance, eine Markt-Nische zu füllen. Denn nur wenige Kanzleien überhaupt hatten und haben die Kompetenz, diese spezifische Mandantengruppe effizient und digital zu betreuen.
Bei der Etablierung von taxfba am Markt haben sich das richtige Marketing, ein Podcast für die Zielgruppe und die klare Zielgruppenorientierung als besonders zielführend herausgestellt. Die Startup-Kanzlei verzeichnete von Anfang an einen sehr hohen und schnellen Mandantenzulauf.
Die Anfangsphase war sehr stürmisch. Während ich früher vielleicht 20 Neumandatsgespräche pro Jahr hatte, waren es zeitweise 30 Neumandanten in der Woche.
Die Anfragen kamen so schnell, dass die Startup-Kanzlei eigens einen Prozess für eine effiziente Mandatsaufnahme entwickeln musste. Diese Maßnahme trug mit dazu bei, dass das Startup schnell das nötige Wachstum schaffte und gleichzeitig aus diesen Entwicklungsprozessen einzigartiges Erfahrungswissen aufbauen konnte.
Mitarbeiter entwickeln das Unternehmen auf Augenhöhe mit
Wir sind als kleines Team gestartet, da haben alle bei allen Fragen immer mitgedacht.
Nicht nur in der Anfangsphase, auch heute noch werden regelmäßig Strategiemeetings durchgeführt, um gemeinsam das Know-how und die Prozesse der Kanzlei weiterzuentwickeln. Alle arbeiten daran, die Probleme der Mandanten zu lösen und mit diesem Fokus die Prozesse und Standards der Kanzlei weiterzuentwickeln. Auch Messen und Workshops werden gemeinsam besucht, um aktuelle Entwicklungen zu verfolgen und technisches Know-how aus erster Hand in das Unternehmen zu holen.
Blick über die Grenzen bringt neue Ideen
Die Kanzlei ist mittlerweile so hoch spezialisiert, dass sie sich kaum noch relevantes Wissen über externe Schulungen oder Beratungen aneignen kann. Daher setzen Petersen und sein Team gezielt auf Kooperationen über die Grenzen hinweg im internationalen Netzwerk.
Der Besuch von Kanzleien in Polen und Großbritannien hat uns deutlich gezeigt, wie weit die Steuerberaterbranche in Deutschland in der Digitalisierungsentwicklung hinten ansteht.
Große und mittelgroße Kanzleien haben standardmäßig eigene IT-ler und je nach Größe auch IT-Abteilungen. Eine gewisse Softwareentwicklungskompetenz gehörten zum Kern der Fertigkeiten, die eine Kanzlei dort intern vorhält. Auch Petersen beschäftigt mittlerweile einen eigenen ITler und dieser wird mit Sicherheit nicht der letzte sein. Darüber hinaus entwickeln sich auch die Mitarbeiter aus dem Steuerfachbereich kontinuierlich in ihren IT-Kompetenzen weiter durch "learning by doing" und strukturierten internen Austausch. Dies ist unerlässlich, um für jedes Mandat optimale Prozesse zu entwickeln, damit die meist großen Mengen an finanzbuchhaltungsrelevanten Daten aus Amazon & Co, Warenwirtschafts- und anderen Vorsystemen effizient in die Kanzleisoftware importiert werden können.
IT-Kompetenz mit hochqualifiziertem IT-Personal intern in der Kanzlei zu haben, ist auch für mittelgroße Kanzleien unverzichtbar.
3 Fragen an Holger Petersen1. Haufe: Sie hatten eine gut laufende Kanzlei. Warum haben Sie das Risiko eines kompletten Neustarts auf sich genommen? Petersen: Seit 2015 beschäftigte ich mich sehr intensiv mit den aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung und habe viele Veranstaltungen und Fortbildungen besucht. Schnell wurde mir klar, dass die Umsetzung meiner Digitalisierungsstrategie mit dem vorhandenen Mitarbeiterstamm länger dauern und aufwändiger sein würde als ein – wenn auch riskanter – Neustart quasi auf der grünen Wiese. Da ich mich selbst eher als Unternehmer und weniger als Freiberufler sehe, bin ich das Risiko eingegangen. Der Erfolg spricht jetzt schon für sich: meine neue Kanzlei macht nach zweieinhalb Jahren schon mehr als doppelt so viel Umsatz als meine ursprüngliche. 2. Was macht Ihre Kanzlei zum idealen Ansprechpartner für Ihre Mandanten? Petersen: Wir sind hoch spezialisiert auf unsere Zielgruppe Online-Handel. Momentan gibt es in Deutschland vielleicht eine Hand voll Kanzleien, die auf demselben technischen und Spezialisierungsniveau hinsichtlich Online-Handel sind wie wir. Außerdem hat unser rasantes Wachstum uns von Anfang an genötigt, eine konsequent prozessorientierte Arbeitsweise aufzubauen mit dem Ziel, Nutzen für die Mandanten zu schaffen. Das spüren unsere Mandanten v. a. in der Zusammenarbeit mit uns:– wir sind agil, stellen uns neuen Anforderungen sofort und setzen Probleme schnell in Lösungen um. Über unser persönliches internationales Netzwerk können wir unsere Mandanten auch bei der Internationalisierung Ihres Geschäfts routiniert begleiten. 3. Die erhalten Ihre Mitarbeiter digitales Know-how? Petersen: Da ist zum einen unsere Grundeinstellung, alles prozessorientiert und sehr "open minded" zu denken und anzugehen. Dadurch entsteht im Kanzleialltag sehr viel automatischer Ideen- und Erfahrungsaustausch. Außerdem bilden die Prozesse einen großen Teil unseres Know-hows direkt ab. Lernen untereinander und voneinander wird bei uns erfolgreich praktiziert und punktuell durch die üblichen externen fachlichen Fortbildungen ergänzt. Dieser Ansatz macht uns auch als Arbeitgeber sehr attraktiv. Wir haben bundesweiten Zulauf digitalaffiner Fachleute, die gerne Teil von taxfba werden wollen. |
Das Interview führte Ulf Hausmann, Kanzleiberater
Hinweis der Redaktion: Zukunftsthemen in Steuerkanzleien
Sie möchten die Erfahrungen mit dem digitalen Wandel in Ihrer Steuerkanzlei ebenfalls an dieser Stelle teilen? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf unter steuern@haufe.de
Diesen und weitere Erfahrungsberichte finden Sie auch im neuen Haufe Steuer Office Excellence. Hier werden zum ersten Mal zentrale Zukunftsthemen systematisch in einer Datenbank aufbereitet und mit den steuerlichen Kernthemen der Kanzleien verknüpft. Es geht darum, gemeinsam die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen und dabei neue Beratungspotenziale zu nutzen. Da dies großen Einfluss auf das gesamte Kanzleigefüge hat, hilft das Produkt auch dabei, die Kanzlei neu aufzustellen.