Viele Unternehmen möchten agil arbeiten. Die aus der IT-Branche stammende Arbeitsmethode scheint vor allem eins zu versprechen: Schnelligkeit und Profit. Doch kreisen zahlreiche Irrtümer rund um agile Arbeitsweisen. Was sie ausmacht und was sie nicht sind: Wir klären auf.
Agilität ist ein zeitlich begrenztes Projekt
Einer der wohl größten Irrtümer über agile Arbeitsweisen lautet: Agilität ist ein Projekt. Vielmehr bezeichnet Agilität flexible Arbeits- und Denkweisen, die Unternehmen in die Lage versetzen, kurzfristig auf veränderte Bedingungen zu reagieren. In agilen Prozessen nehmen die Zusammenarbeit mit dem Kunden und die Zielerreichung daher einen hohen Stellenwert ein, während langfristige Planung in den Hintergrund tritt.
Agile Arbeitsmethoden sind nicht per se effizient.
Planlos sind agile Methoden dennoch nicht. Jede einzelne Planungs- und Umsetzungsphase unterliegt bestimmten Ablaufregeln. Agile Arbeitsmethoden unterteilen Projekte in zeitlich begrenzte Teilprojekte. Komplexe Aufgabenstellungen werden dadurch überschaubar. Die eigentliche Umsetzung erfolgt in kurzen, konzentrierten Arbeitsphasen. Ein entscheidender Bestandteil von Agilität: die Retrospektive am Ende jedes Teilprojektes, die hilft, Fehlentwicklungen schnell aufzudecken. So kann die agil arbeitende Organisation kurzfristig auf Veränderungen Rücksicht nehmen und die Ziele im nächsten Teilprojekt entsprechend anpassen.
Agile Arbeitsweisen sind die effizientesten
Zugegeben: Agile Arbeitsmethoden sind effizient und können Abläufe verbessern. Bedingung dafür ist allerdings, dass sie in passenden Settings zum Einsatz kommen. Auch wenn die agilen Methoden einen aktuellen Trend im Projektmanagement darstellen, sind sie nicht zwangsläufig immer die beste Wahl für jede Branche und alle Unternehmensbereiche.
Damit Agilität erfolgreich sein kann, ist die Akzeptanz im Team von großer Bedeutung.
Entscheidend ist, ob sich die Flexibilität auf ein Projekt vorteilhaft auswirkt. Starre, unveränderliche Arbeiten wie die Buchhaltung oder das Controlling haben nur einen begrenzten Umsetzungsspielraum. Ein flexibler Rahmen durch agile Arbeitsmethoden ist daher weder notwendig noch sinnvoll. Anders ist dies bei komplexen Vorhaben wie die Begleitung von anspruchsvollen Kundenprojekten. Sie sind in der Regel an individuelle Bedingungen geknüpft und leben von Veränderung. Agile Methoden können sie zu besseren und effizienteren Ergebnissen führen. Denn mit agilen Arbeitsformen sind Projekte weitaus flexibler, überschaubarer und planbarer – insbesondere, wenn Ziele bisher unklar sind.
In der Umsetzung von agilen Methoden hapert es oft an den Grundbedingungen. Damit Agilität erfolgreich sein kann, ist die Akzeptanz im Team von großer Bedeutung. Entscheidendes Stichwort: Toleranz, auch im Hinblick auf die eigenen Fehler. Denn agile Prozesse benötigen den Mut, Fehler offenzulegen und aus ihnen zu lernen. Nur so können aus Misserfolgen Rückschlüsse auf künftige Abläufe geschlossen werden.
Agilität funktioniert ohne Führung
Wird über Agilität gesprochen, ist nicht selten die Rede von einer Methode, die ganz ohne Führung auskomme. Tatsächlich bildet Agilität einen Gegensatz zum klassischen, hierarchisch-strukturierten Top-Down-Management. Dennoch funktionieren agile Arbeitsweisen nicht völlig ohne Führung. Richtig ist, dass Agilität hierarchische Strukturen aufbricht. Der Chef ist nicht mehr alleiniger Entscheider. Stattdessen fällen in agilen Organisationen die gleichberechtigten Teammitglieder gemeinsam Entscheidungen. Mehr Rechte bedeutet zugleich aber auch mehr Verantwortung. So erfüllt jeder Mitarbeiter eine bestimmte Rolle im Team und ist für das Erreichen von Zielen mitverantwortlich.
Agiles Arbeiten heißt nicht Anarchie. Im Gegenteil.
Von Anarchie sind effiziente, agile Arbeitsmethoden somit weit entfernt. Während feste Vorgehensregeln die Zusammenarbeit strukturieren, begleiten Teammitglieder mit leitender Funktion wie der Scrum Master und der Product Owner die Strategieumsetzung und die Einhaltung von Richtlinien. Die Stärkung des Teams führt aber nicht dazu, dass Chefs mit der Einführung von Agilität ihre Position einbüßen. Sie geben in Projektfragen einen Teil ihrer Verantwortung ab. Rein rechtlich gesehen, ist ihre Position zudem unantastbar.
Agile Methoden sind ein neuer Trend
Keine Frage: Agile Methoden sind beliebter denn je. Innovativ sind sie allerdings nicht. Denn die Ursprünge der agilen Arbeitsweisen liegen lange in der Vergangenheit. Bereits vor circa 70 Jahren kamen erste agile Methoden wie Kanban auf. Doch auch wenn Agilität an sich nichts Neues darstellt, kommt ihr im Zuge der Digitalisierung eine weitaus größere Bedeutung zu. Dank hoher Kundenorientierung und Flexibilität finden agile Methoden in schnelllebigen, digitalisierten Bereichen einen ebenbürtigen Partner. Wenig verwunderlich, dass sich die IT-Branche frühzeitig agiler Methoden bediente. Von ihr übernahmen sie Strategieberater nach dem Ende der Finanzkrise und trugen die Kunde von kleinen Teams, geringen Budgets und großen Gewinnen weltweit in die Managerbüros.
Agilität existiert heutzutage in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen. Neben der Methode Scrum, die oft mit Agilität gleichgesetzt wird, zählen unter anderem Kanban und Design Thinking zu den agilen Arbeitsmethoden. Während das Design Thinking viel kreativen Spielraum bietet und sich für die Entwicklung neuer Services eignet, ist Scrum eine umfassende, agile Arbeitsmethode mit strengen Ablaufvorgaben. Dadurch ist die Methode besonders gut für Projekte mit hohem Komplexitätsgrad geeignet, die gleichzeitig viel Flexibilität erfordern. Kanban ist dementgegen eine vereinfachte Methode für weniger komplexe Aufgaben. Sie beruht darauf, Aufgaben für alle Mitarbeiter gut sichtbar in die Bereiche „zu erledigen“, „in Arbeit“ und „erledigt“ zu unterteilen.
Agile Arbeitsorganisation ist zeitraubend
Einer der wohl hartnäckigsten Irrtümer zu agilen Methoden ist die Frage nach dem zeitlichen Aufwand. Regelmäßige Absprachen und feste Rituale stoßen bei vielen von vornherein negativ auf. Was auf den ersten Blick jedoch wie ein lästiger Zeitfresser erscheint, bietet übergreifend betrachtet großes Einsparpotenzial. Regelmäßige, kurze Absprachen zu Projektständen verdeutlichen zeitnah, an welchen Punkten eine Nachbesserung erforderlich ist. In einem frühen Prozessstadium ist dies oftmals ohne großen Aufwand realisierbar. Ist ein Projekt allerdings bereits abgeschlossen oder kurz vor der Fertigstellung, kann ein veränderter Kundenwunsch zu aufwendiger Mehrarbeit führen.
Die agile Projektplanung kalkuliert das Risiko von Fehlentscheidungen bereits mit ein. Dies minimiert zum einen die Zeit für eine spätere Nachbesserung. Zum anderen bewahrt dies aber auch vor unvorhersehbaren Kostenexplosionen.
Die agile Projektplanung kalkuliert das Risiko von Fehlentscheidungen bereits mit ein. Dies minimiert zum einen die Zeit für eine spätere Nachbesserung. Zum anderen bewahrt dies aber auch vor unvorhersehbaren Kostenexplosionen – generell ein wichtiger Faktor für erfolgreiches Management. Da Meetings und Abstimmungsprozesse klaren Regeln folgen, sind keine weiteren Absprachen notwendig. Außerdem können Erfahrungen aus vergangenen Projektzyklen die Zusammenarbeit im Team und mit dem Kunden stärken. Dadurch entfallen langwierige E-Mail-Kommunikationen und zeitraubende Nachfragen. Im Idealfall werden Planungszyklen somit kürzer.