Dierkes Partner: Kanzleivision zur Digitalen Transformation

Aus dem Wunsch, die Digitalisierung anzugehen, ist bei Dierkes Partner nicht nur eine Vision, sondern eine neue Gesellschaft entstanden. Ein Besuch bei einer Kanzlei, die Veränderung als Chance begreifen möchte. 

Wer nach einem Beispiel dafür sucht, welche positiven Ergebnisse eine Veränderung bewirken kann, braucht bei der Kanzlei Dierkes Partner nur einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Ein paar Meter weiter von dem Bürogebäude, in dem die Kanzlei seit 1994 auf mehreren Stockwerken einen ihrer drei Standorte betreibt, hat sich die Hafenstadt mit der Elbphilharmonie ein neues Gesicht verpasst. Von dem Konferenzraum im sechsten Stock, in dem die Partnerinnen und Partner Mandanten und Besucher empfangen, hat man einen guten Blick auf den imposanten Bau. 2017 wurde die Elbphilharmonie eröffnet, seitdem ist sie schnell zu einem der Wahrzeichen Hamburgs geworden. 2017 ist auch für Dierkes Partner ein bedeutsames Jahr. Das „Großprojekt“ der Kanzlei fing in diesem Jahr allerdings erst an.  

Kanzlei Dierkes Partner

Erzählen möchten darüber an einem sonnigen Tag im Sommer 2019 unter anderem zwei der 15 Partner der Kanzlei, Philip Reimann und Jörg Bantelmann. „Was die Digitalisierung für uns bedeuten kann, haben wir zuerst bei einer Präsentation von Berater Stefan Lami realisiert“, erinnert sich Philip Reimann. „Das war in einem Kreis von Kanzleien, mit denen wir uns regelmäßig treffen.“ Natürlich habe man sich bei Dierkes Partner schon vor diesem Treffen 2017 mit Digitalisierungsthemen befasst, ergänzt Jörg Bantelmann, „wir waren eine der Kanzleien, die schon sehr früh Datev Unternehmen Online genutzt hat“. Was den Partnern aber in einem Workshop, den die beiden nach dem Treffen mit Stefan Lami organisiert hatten, bewusst wurde: „Wir haben gemerkt, dass wir ganzheitlicher an das Thema rangehen müssen. Alles, was wir bis dahin gemacht hatten, war, eine andere Technik zu nutzen. Aber über die darüberhinausgehenden Auswirkungen für uns, für die Arbeitsweisen und für das Geschäftsmodell, hatten wir uns noch nicht beschäftigt.“ Der Wunsch nach einer strategischen Ausrichtung, nach einer Vision, war geboren.  

Digitales Know-How aus der eigenen Kanzlei

Das Ergebnis dieses Wunschs kann man zwei Jahre später drei Stockwerke unter dem Konferenzraum in einem Bürozimmer sehen. Vier Schreibtische stehen darin, unter den Tischen liegen Kabel, die zu einer Kabeltrommel und einer Multisteckdose führen. „Wir arbeiten gerade noch in einem Provisorium“, sagt Raphael Kammer entschuldigend. Mit „wir“ meint er seine drei Kolleginnen und Kollegen, mit denen er gemeinsam die „dpk digital GmbH“, eine neu gegründete Gesellschaft von Dierkes Partner, bildet. „Die dpk begleitet Unternehmen – gleich welcher Art und Ausrichtung – bei allen Aktivitäten, die für den digitalen Wandel ihres Unternehmens erforderlich sind“; So beschreibt sich die Gesellschaft auf ihrer Internetseite. Seit November 2018 gibt es die dpk, ihr erster Kunde war und ist Dierkes Partner selbst. 

„Nachdem wir eine digitale Agenda für unsere Kanzlei erstellt hatten, haben wir den Entschluss gefasst, nicht nur uns selbst zu digitalisieren, sondern ein Geschäftsfeld daraus zu entwickeln“, begründet Philip Reimann die Idee zur Gründung der Gesellschaft. „Uns war klar, dass wir dafür technisches Know-how brauchen, aber auch Beratungswissen rund um unsere Kerntätigkeiten im Deklarationsgeschäft wie Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung.“ Fündig wurden die Partner dabei in ihrer eigenen Kanzlei.


„Ich habe damals zum ersten Mal die Übersetzerrolle zwischen Steuern und IT eingenommen, Soll und Haben in Null und Eins oder in Plus und Minus übertragen."
Raphael Kammer


Raphael Kammer hat 2014 bei Dierkes Partner angefangen. „Ich habe Jura und Betriebswirtschaft studiert, mit dem Ziel, Steuerberater zu werden“, erzählt er. „Ich wollte mittelständische Unternehmen betriebswirtschaftlich beraten.“ Erfahrung mit digitalen Prozessen konnte Raphael Kammer schon als selbständiger Berater während der Studienzeit sammeln. „Ich habe damals zum ersten Mal die Übersetzerrolle zwischen Steuern und IT eingenommen, Soll und Haben in Null und Eins oder in Plus und Minus übertragen.“ Bei Dierkes Partner betreute er fast ausschließlich Mandanten, die in den digitalen Buchhaltungsbereich gelenkt werden wollten. „Das war learning on the job.“ 

Als er schließlich von den Partnern gefragt wurde, ob er Lust habe, das Thema Digitalisierung in der Kanzlei voranzutreiben, hatte er allerdings bereits eine andere Herausforderung in den Blick genommen. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon den Entschluss gefasst, nicht mehr Steuerberater werden zu wollen. Meine Vorstellung von dem Berufsbild Steuerberater der Zukunft waren nicht mehr deckungsgleich mit den Vorstellungen der Branche.“ Das Angebot der Kanzlei ließ ihn im neuen Job jedoch nicht los. Nach einem „Gastspiel“ in einem international agierenden Unternehmen, in dem er die kaufmännische Leitung und das Controlling übernahm und ein Digitalisierungsprojekt vorantrieb, kehrte er keine 12 Monate später wieder zurück zu Dierkes Partner.

Auch Carola Rosseburg und Nico Dammann von dpk sind Eigengewächse der Kanzlei. Wie Raphael Kammer haben auch sie ihre berufliche Laufbahn in „klassischen“ Bereichen – Carola Rosseburg war in der Rechtsberatung, Nico Dammann in der Wirtschaftsprüfung – begonnen, sich aber schnell mit digitalen Prozessen auseinandergesetzt und den Wunsch verspürt, über das klassische Bestandsgeschäft hinaus mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. „Wir sind im Grunde genommen alles Quereinsteiger“, sagt Raphael Kammer. Einen Nachteil sieht er darin nicht, im Gegenteil: „Ich finde das sehr authentisch, schließlich müssen wir unsere Mandanten auch abholen und ihnen klar machen, warum der Steuerberater jetzt bei anderen Themen mitreden möchte.“  

DierkesPartnerDreizwei

Und wie startet man eine digitale Transformation?  

Am besten mit einer Bestandsaufnahme bei sich selbst. „Ich habe die Zeit am Anfang genutzt, um die ganzen Ströme und Aktivitäten, die hier im Haus schon waren, wahrzunehmen und kennenzulernen“, erzählt Raphael Kammer. Wünsche, etwa nach einer digital aufgestellten Wirtschaftsprüfung, habe es bereits viele gegeben, eine Umsetzung scheiterte zuvor aber am zeitraubenden Tagesgeschäft. Mandantenbetreuung und Projektmanagement waren zeitlich nicht zu stemmen. „Das habe ich alles wahrgenommen“, erzählt Raphael Kammer, „und dann bin ich auf die Suche nach Quick Wins gegangen, damit die Veränderung auch positiv aufgenommen wird.“  

Eine dieser kleinen Stellschrauben war ein neues Kommunikationstool. Dessen Einführung wurde aus Sicht der Partner und Mitarbeiter ganz anders angegangen, als es bei anderen Projekten in der Kanzlei bisher der Fall war. „Wir hatten uns zuerst ein Tool angeschafft, das dann doch nicht unseren Anforderungen entsprochen hat. Erst beim zweiten Versuch hat es geklappt“, erzählt Jörg Bantelmann. „Früher hätten wir ein Projekt zuerst zu 120 Prozent geplant und dann ausgerollt.“ 

Auch die Personalabteilung wurde von der dpk unter die Lupe genommen. „Wir haben nach einer Lösung gesucht, die es uns erlaubt, Ressourcen besser zu nutzen.“ Eine HR-Software sorgt nun dafür, dass administrative Aufgaben zum Teil automatisiert werden können und so mehr Zeit für wichtigere Personalthemen bleibt. „Bei der Wahl der Software haben wir uns für eine Cloud-Lösung entschieden und uns damit bewusst von unserer vorhandenen Struktur gelöst“, erzählt Raphael Kammer.  

Aus gewohnten Strukturen und Prozessen auszubrechen, erachten alle Beteiligten des Wandels als essentiell. „Die dpk hat bewusst einen Start-up-Charakter und geht Dinge anders an als Dierkes Partner, damit wir davon lernen können“, sagt Philip Reimann. Das kleine Team rund um Raphael Kammer arbeitet nicht nur mit anderen Prozesslösungen und Systemen, sondern ist auch anders organisiert als die klassisch hierarchisch aufgestellte Kanzlei. Das erkennt man schon daran, dass das ganze Team gemeinsam in einem einzigen Büro zusammensitzt. Verantwortung übernehmen alle Beteiligten, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. „Das ist eine komplett andere Situation“, sagt Nico Dammann, „wir diskutieren alles und es gibt noch keine feste Struktur.“ Carola Rosseburg ergänzt, dass es gerade anfangs gar nicht so leicht gewesen sei, mit neuen Arbeitsweisen zurechtzukommen. „Wir kommunizieren zum Beispiel komplett papierlos und auch ohne E-Mail. Das war schon eine Umstellung.“ 

Vom Start-up zurück ins Unternehmen 

Damit diese Veränderungen nicht nur die Zusammenarbeit bei der dpk digital GmbH, sondern auch bei Dierkes Partner prägen kann, ist Vernetzung wichtig. „Auch da profitieren wir sehr davon, dass wir bereits in der Kanzlei gearbeitet haben“, sagt Raphael Kammer. Anna Mazaschyk, Personalleiterin von Dierkes Partner, betont, dass es zu Beginn der Veränderung auch Bedenken gab. „Es kommt ja nicht immer bei allen gut an, dass da ein Bereich ist, der anders ist. Aber dann muss man darüber reden und kann so Vorurteilen begegnen, die einer Veränderung im Weg stehen.“  

Natürlich hängt der Erfolg der dpk digital Gmbh auch von der Frage ab, ob alle Mitarbeiter von Dierkes Partner potentielle Kunden für die dpk erkennen können. Mandanten also, die ein Problem haben, das die dpk lösen kann

Dierkes Partner Drei
. „Das ist die Herausforderung, vor der wir gerade stehen“, sagt Philip Reimann. „Es reicht nicht, dass wir eine Gesellschaft haben, die aus vier Köpfen besteht. Wir müssen das Verständnis für technische Prozesse, für die Erschließung neuer Geschäftsmodelle, andere Arbeitsweisen und ein anders Mindset großflächig in der gesamten Kanzlei streuen.“ Hilfe holt sich die Kanzlei bei der Wissensvermittlung und Schulung von Mitarbeitern extern von Haufe. „Unsere Mitarbeiter sehen in der Gründung der dpk und in den Veränderungen, die wir damit angestoßen haben, einen Mehrwert. Daran müssen wir jetzt anknüpfen“, sagt Philip Reimann.  

Das Start-up im eigenen Unternehmen soll also viel mehr sein als eine neue Einheit, die aus alten Strukturen ausbrechen kann. Im besten Fall, so sehen es die Partner und Raphael Kammer und sein Team, profitieren von den Erkenntnissen des Projekts alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Dierkes Partner. „Unsere Vision ist es, ein Beratungsunternehmen mit einer digitalen Affinität zu werden. Wir wollen die Rolle des Early Adopters besetzen und gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen ein Gesamtverständnis für digitale Abläufe in Unternehmen entwickeln“, sagt Raphael Kammer. Diese Vision gelte gleichermaßen für die dpk digital GmbH wie auch für Dierkes Partner.  

Sarah Beha
Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Kanzleimanagement