Steuerberaterinnen und Steuerberater kommunizieren fast täglich mit Behörden, Gerichten, Mandantinnen und Mandanten oder Dritten. Das tun sie oftmals noch analog, indem sie zum Telefon greifen oder wichtige Dokumente postalisch versenden. Doch immer häufiger arbeiten sie auch digital zusammen. Dafür gibt es inzwischen zahlreiche Tools und Möglichkeiten. Das Angebot ist groß. Welche Möglichkeiten es dabei speziell für Steuerkanzleien gibt, lesen Sie hier.
Digitale Zusammenarbeit: Steuerkanzlei und Mitarbeiter
Noch vor drei Jahren hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können, zu 100 % remote zu arbeiten. Mit der Corona Pandemie ist aber genau das eingetroffen. Von jetzt auf gleich mussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Steuerkanzleien ihre Besprechungen in virtuelle Räume verlegen. Auch der Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen und gemeinsame Kaffeepausen fielen weg oder fanden überwiegend online statt. Mittlerweile sind die meisten wieder zurück an die Schreibtische in den Kanzleien gekehrt. Während ein Teil der „Rückkehrer“ die Vorteile des flexiblen, digitalen Arbeitens mit entsprechenden Tools nun aktiv nutzt und einzelne Homeoffice-Tage anbietet, gibt es noch immer einen großen Teil, der in Sachen digitaler Zusammenarbeit zurückhaltend reagiert.
Oftmals ist das „Wo fangen wir an?“ Schuld an der zögerlichen Haltung. Denn mit dem Einführen eines Videokonferenztools ist es meistens nicht getan, um reibungslos digital zu arbeiten. Digitale Zusammenarbeit erfordert auf der einen Seite die entsprechende Technologie und das nötige Knowhow im Umgang mit diesen Technologien. Auf der anderen Seite ist die Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit diesen Tools auch zu arbeiten, erforderlich. Steuerkanzleien sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher abholen und ihnen die Angst nehmen, dass mit dem Wegfall von Routinetätigkeiten ihre Aufgaben oder sogar ihr Job gefährdet würden. Bieten Sie Unterstützung an und zeigen Sie auf, welche neuen Aufgaben und Chancen sich für die Mitarbeiter entwickeln können. Denken Sie in diesem Zuge - sofern nicht längst geschehen - auch über Homeoffice-Angebote nach. Auf dem Arbeitsmarkt ist der Wunsch danach längst zur Voraussetzung geworden und Sie schaffen sich nicht nur dort, sondern auch bei Ihren bestehenden Mitarbeitern Pluspunkte als attraktiver Arbeitgeber. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies wichtiger denn je.
Besonderheiten digitaler Zusammenarbeit im Homeoffice
Beim Thema digitale Zusammenarbeit sind Homeoffice-Tage nicht wegzudenken. Zwar setzen viele Steuerkanzleien bei ihrer Kanzleisoftware schon auf Cloudlösungen und können dadurch einen ortsunabhängigen Zugriff in das System ermöglichen. Allerdings türmen sich teilweise noch immer Akten und Dokumente in Papierform auf den Tischen und in den Schränken der Kanzleien. Diese gilt es, zunächst zu digitalisieren und allen Kanzleimitarbeitern einen Zugriff zu ermöglichen, bevor sie ihre Arbeit von zu Hause erledigen können. Anderenfalls kann ein sinnvolles Arbeiten vom heimischen Schreibtisch aus nicht gelingen. Doch die Digitalisierung der Dokumente stellt nicht die einzige Voraussetzung dar:
Datensicherheit im Homeoffice
Auch technische Voraussetzungen wie die Ausstattung der Homeoffice-Arbeitsplätze (z. B. Monitor, Webcam, Notebook, Headset) sollte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereitgestellt werden. Eine besonders wichtige Rolle im Homeoffice spielt auch das Thema Datensicherheit. Denn gerade zu Hause ist die Verbindung ins Kanzlei-Netzwerk über eine private Internetverbindung anfälliger für Sicherheitslücken. Eine sichere Verbindung können Sie mit einem VPN-Zugang (Virtual Private Network) herstellen. Dieser VPN-Zugang sollte zusätzlich durch Passwörter oder andere Authentifizierungsmöglichkeiten geschützt werden.
Teamkultur stärken
Bei all den technischen und strukturellen Voraussetzungen sollten Sie die Teamkultur nicht aus den Augen verlieren. Ob das ein regelmäßiges Teamevent mit Minigolf im Freien, ein gemeinsamer Kochkurs oder ein Abendessen im Restaurant beinhaltet – Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Auch feste „Kanzleitage“, an denen alle vor Ort sind, sind denkbar, um den gemeinsamen Austausch zu fördern. Zur Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Sie diese Kanzleitage mit einem gemeinsamen Frühstück starten oder im Biergarten ausklingen lassen.
Regeln festlegen
Kommunikation, Transparenz und Zusammenhalt können bei virtueller Zusammenarbeit schnell leiden. Wenn Sie hier nicht aktiv gegensteuern, kann es passieren, dass keiner weiß, woran der andere arbeitet. Legen Sie daher Regeln für die Zusammenarbeit fest. Beispiele hierfür sind:
- Je nach Bedarf können täglich oder wöchentlich kurze Meetings mehr Transparenz schaffen. Achten Sie darauf, fokussiert zu bleiben und legen Sie eine Agenda fest. Wer arbeitet an was? Wie ist der Stand? Gibt es dringende Projekte oder Aufgaben? Gibt es Probleme? Wie sind die Kapazitäten? Dieser kurze Austausch gibt allen einen Überblick und schafft Transparenz.
- Bei wichtigen Besprechungen oder Projekten kann es sinnvoll sein, dass alle Kanzleimitarbeiter vor Ort sind. Feste Kanzleitage wöchentlich, monatlich oder nur zu bestimmten Anlässen (z. B. Workshops, große Projekte).
- Vereinbaren Sie Regeln zu Abwesenheiten. Wer beispielsweise in die Mittagspause geht, meldet sich kurz ab. Hierzu können Sie z. B. ein Kommunikationstool mit Chat-Funktion nutzen.
Digitale Zusammenarbeit: Steuerkanzlei und Mandant
Immer mehr Unternehmen ziehen in Sachen Digitalisierung mit, führen elektronische Fahrtenbücher ein, setzen auf digitalisierte Buchhaltung oder nutzen Apps zur Zeiterfassung der Mitarbeiter, um ihre Geschäftsvorfälle schneller, günstiger und effizienter zu gestalten. Dadurch wächst auch die Erwartungserhaltung der Mandantinnen und Mandanten an Steuerkanzleien, hier Schritt zu halten und digitale Angebote anzubieten. Das Spektrum der digitalen Zusammenarbeit kann dabei von einer komplett virtuellen, papierlosen Kanzlei bis zu einzelnen Beratungen via Skype oder Teams reichen. Digitale Zusammenarbeit kennt keine Grenzen und entwickelt sich stetig weiter. Für Ihre Mandantinnen und Mandanten bietet sie vielfältige Vorteile: schnellere und günstigere Prozesse, Belege digital einreichen und Beratungen auf Wunsch am Bildschirm durchführen. Doch nicht nur Ihre Mandantinnen und Mandanten profitieren von den digitalen Möglichkeiten. Auch Sie haben weniger Aufwand und mehr Zeit für komplexere Themen und Beratungen.
Digitale Zusammenarbeit: Steuerkanzlei und Dritte
Um die digitale Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern, Behörden, Gerichten, Kammern und Dritten zu vereinfachen, richtet das BStK ab 1. Januar 2023 ein elektronisches Postfach (beSt) auf einer Steuerberaterplattform ein. Jeder Steuerberater erhält ein eigenes Nutzerkonto, das einmalig freigeschaltet werden muss. Die Nutzung des Postfachs ist dann ab 1. Januar 2023 Pflicht. Durch das beSt erhält jeder Steuerberater eine digitale Identität, mit der er digital und rechtssicher beispielsweise mit Sozialträgern, Notaren oder Rechtsanwälten kommunizieren kann. Und nicht nur das. Damit die sensiblen Daten, die über das Postfach versendet und empfangen werden auch bestmöglich geschützt sind, wird neben der einmaligen Identifikation per Personalausweis auch eine Authentifizierung sowie eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeführt. Außerdem will die BStBK eine Schnittstelle zwischen beSt und Steuerberaterplattformen herstellen, sodass Steuerberater das beSt direkt in ihre Fachsoftware integrieren können.
Was Steuerkanzleien über die Einrichtung des beSt wissen müssen und wieso das Mammutprojekt ins Leben gerufen wurde, verrät BStBK-Geschäftsführerin Claudia Kalina-Kerschbaum im Interview.
Tools zur digitalen Zusammenarbeit
Video-Konferenz-Tools, Projektmanagementtools, Kanzleimanagementsoftware oder Komplettlösungen, die mehrere Funktionen miteinander kombinieren und aufeinander abstimmen– die Liste digitaler Kollaborationstools ist lang. Hinzu kommen unterschiedliche Funktionen und Anbieter. Wie sollen Steuerkanzleien hier eine passende Lösung finden?
Eins vorweg: Das eine Tool, das für alle passt, gibt es leider nicht. Bevor Sie sich für ein oder mehrere Tools entscheiden, sollten Sie mit einer Analyse Ihrer Prozesse, Abläufe und Aufgaben beginnen. Nur so können Sie Ihre individuellen Painpoints aufdecken und anschließend das passende Tool wählen. Beziehen Sie dazu auch Ihre Mitarbeiter in die Entscheidung mit ein. Sie wissen oftmals ganz genau, wo die Zeitfresser sitzen und welche Funktionen die Zusammenarbeit sinnvoll erleichtern können.
Digitale DATEV-Kanzlei
Seit 2019 vergibt die DATEV den Titel „Digitale DATEV-Kanzlei“. Steuerkanzleien können sich auf der Webseite der DATEV für das Digitalisierungs-Cockpit registrieren und ihren Digitalisierungsgrad ermitteln lassen. Basis für die Ermittlung sind von der DATEV festgelegte Kriterien, die regelmäßig angepasst werden.
Für das Jahr 2022 galten folgende Kriterien:
Rechnungswesen
- Digitalisierungsquote gesamt: 70%
- Digitalisierungsquote Bank: 70%
- Anteil Mandantinnen und Mandanten mit digitalen Belegen: 40%
Personalwirtschaft
- Digitalisierungsquote Bewegungsdaten: 10%
- Anteil Mandantinnen und Mandanten mit Arbeitnehmer online: 5%
Steuern
- Anteil Mandantinnen und Mandanten mit digitalen ESt-Belegen: 5%
- Kanzleien, die hier einen besonders hohen Wert erzielen, werden von der DATEV mit „digitale DATEV-Kanzlei“ ausgezeichnet.
Was eine digitale Kanzlei darüber hinaus ausmacht, lesen Sie im Beitrag von Fachjournalist Karsten Zunke.
Fazit
Angebote und Tools zur digitalen Zusammenarbeit gibt es viele. Nicht immer muss die beste Wahl dabei ein kostspieliges Komplettpaket sein. Auch preiswerte Einzellösungen können schon viele Arbeitsabläufe erleichtern und so die Zusammenarbeit effizienter gestalten. Um die größten Painpoints in der Zusammenarbeit zu identifizieren, empfiehlt es sich, die eigenen Mitarbeiter in den Prozess einzubeziehen. Fragen Sie im Team nach! Welche Tätigkeiten können vereinfacht werden? Wo liegen die größten Probleme und wo sitzen die größten Zeitfresser? Überlegen und diskutieren Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern, welche Tätigkeiten digitalisiert werden können. Wägen Sie Vorteile, Aufwände und Kosten gegeneinander ab. Beziehen Sie auch Erfahrungswerte von Kolleginnen und Kollegen in ihre Entscheidung mit ein und tauschen Sie sich regelmäßig mit anderen aus. Je mehr digital zusammengearbeitet wird, desto effektiver und schneller werden Aufgaben und Prozesse gestaltet. Dadurch bleibt mehr Zeit für komplexe Themen und Beratungen. Und damit auch mehr Zeit für die strategische Ausrichtung der Kanzlei der Zukunft.