Digitalisierung der Steuerberatung: Das macht die Kammer

Wie stellt sich die Bundessteuerberaterkammer den Themen rund um die Digitalisierung? Boris Kurczinski, Präsidialmitglied der Bundessteuerberaterkammer und Präsident der Steuerberaterkammer Schleswig-Holstein gibt Antworten.

So geht die Bundessteuerberaterkammer die digitale Transformation an

Herr Kurczinski, wie nehmen Sie das Thema digitale Transformation in den Steuerkanzleien wahr?

Kurczinski: Die Digitalisierung verändert die ganze Welt und ist nicht unbedingt etwas, was wir selbst anschieben. Wir werden von der Digitalisierung auch ein Stück weit gelenkt und müssen sehen, wie wir auf diese Veränderungen reagieren, und wie wir sie für uns nutzbar machen können. Wir nehmen dabei zwei Blickrichtungen ein: Zum einen müssen wir schauen, was bei den Mandanten passiert, und wie das die Anforderungen an unsere Arbeit verändert. Zum anderen müssen wir den Blick in die Kanzleien selbst richten: Wie digital arbeitet die Kanzlei?

Dazu kommen der Fachkräftemangel und der demographische Wandel. Digitalisierung ist in diesem Kontext Fluch und Segen zugleich. Wir können die Digitalisierung nutzen, um durch Automatisierung die Produktivität unserer Mitarbeiter zu erhöhen. Bei diesem Veränderungsprozess müssen wir aber auch alle Mitarbeiter mitnehmen.

Welche Rolle hat die Bundessteuerberaterkammer bei diesem Prozess?

Die Bundessteuerberaterkammer muss die richtigen Weichen stellen. Da ist in den letzten Jahren unheimlich viel passiert. Wir unterstützen den Prozess der Länderfinanzverwaltungen, die angefangen haben, mit „KONSENS“ ihre Programme aufeinander abzustimmen. Jetzt können wir auf Bundesebene dafür sorgen, dass die Prozesse, die die Finanzverwaltung von uns verlangt, mit uns abgestimmt werden. Da gibt es schon ein paar schöne Beispiele, wie etwa die Vollmachtsdatenbank, mit der wir ein massentaugliches Authentifizierungsverfahren geschaffen haben. Zu „NACHDIGAL“, also das nachgelagerte Einreichen von digitalen Belegen, haben wir für Steuerberater das Programm „RABE“ mit hineingebracht, das die Verlinkung der Belege mit der Steuererklärung ermöglicht.

Boris Kurczinski

Trotzdem herrscht bei den Beratern noch viel Unsicherheit, wenn es um Digitalisierungsthemen wie etwa das richtige Archivieren von Belegen geht. Wieso?

Bei der Archivierung von Belegen wird zwischen digitalen Belegen und Papierbelegen unterschieden. Die Regeln der Papierablage sind hinlänglich bekannt. Die Regelungen im Zusammenhang mit der Aufbewahrung von digitalen Belegen sind für viele Unternehmen neu und zunächst sehr komplex und aufwendig. Große wie kleine Unternehmen müssen im Zusammenhang mit der Archivierung die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ beachten.

Dabei müssen elektronische Archivsysteme aufgesetzt und Prozesse etabliert werden. Dieses Thema ist sehr beratungsintensiv und unter Umständen nicht für jeden Mandanten geeignet. Stellt ein Unternehmen die Aktenarchivierung von Papier auf digital um, ist dieses elektronische Archivierungsverfahren im Rahmen einer Verfahrensdokumentation zu dokumentieren. Hinzu kommen die Fragen, die im Zusammenhang mit dem ersetzenden Scannen aufgeworfen werden. Die Bundessteuerberaterkammer hat eine Musterverfahrensdokumentation zum ersetzenden Scannen entwickelt, die sie Unternehmen und Steuerberatern zur Verfügung stellt. Der Umstellungsprozess ist in Gange. Gleichwohl wird dieses Thema erst mehr Auftrieb bekommen, wenn sich die Rahmenbedingungen in Deutschland ändern und sich die E-Rechnungen etablieren. Andere Staaten sind da schon deutlich weiter.

Rahmenbedingungen für die digitale Zusammenarbeit

Was macht die Bundessteuerberaterkammer in Sachen Weiterbildung im Bereich Digitalisierung? Auf dem Deutschen Steuerberaterkongress in Dresden fand der Vortrag, der sich mit digitalen Arbeitsprozessen beschäftigte, im Forum für junge Steuerberater statt. Betrifft dieses Thema tatsächlich nur die neue Generation von Steuerberaterinnen und Steuerberatern?

Es gab beim Kongress auch einige Veranstaltungen zur Digitalisierung, die alle Steuerberater angesprochen haben, nicht nur die jüngeren Kollegen und Kolleginnen. So wurden zum Beispiel Online-Handel und E-Services behandelt, auch sehr digital ausgerichtete wirtschaftliche Betrachtungen – ebenso wie die Themen Blockchain und Bitcoin beim Forum „Wirtschaft digital“.

Bei den jungen Steuerberatern sind wir auf die Digitalisierung der Kanzleien eingegangen, weil sie noch neu in der Branche sind. Von der STAX-Umfrage wissen wir, dass sich zwei Drittel aller Kanzleien grundsätzlich schon mit der Digitalisierung befasst haben und sich auch einigermaßen vorbereitet fühlen. Wir wollen Digitalisierung also nicht zum alleinigen Schwerpunkt des Kongresses machen, weil das Thema nicht neu, sondern eine Selbstverständlichkeit ist. Aber natürlich greifen wir den Bereich immer wieder auf - zum Beispiel im laufenden Seminarprogramm der Bundessteuerberaterkammer.

Brauchen die Kanzleien nicht so viel Hilfestellung beim Digitalisierungsprozess?

Niemand von uns ist perfekt und es gibt sicherlich Nachholbedarf. Bei fast 98.000 Steuerberatern gibt es auch ein paar, die noch althergebracht arbeiten. Aber ich würde sagen, dem weit überwiegenden Teil ist klar, dass man an dem Thema nicht vorbeikommt.

Ich würde jedem Steuerberater empfehlen, die Digitalisierung in seinem eigenen Umfeld voranzutreiben und auch zu nutzen.


Uns geht es im Moment darum, Rahmenbedingungen für unsere Kollegen zu schaffen, die es möglich machen, so digital wie möglich zu arbeiten. Zum Beispiel setzen wir uns dafür ein, dass Banken den digitalen Finanzbericht nutzen, so dass Kanzleien Jahresabschlüsse in digitaler Form abgeben können. Daneben versuchen wir natürlich auch das Berufsrecht auf ein neues Niveau zu bringen. Wir wollen der Modernisierung der Besteuerung berufsrechtlich hinterherkommen. Dabei arbeiten wir mit der Finanzverwaltung zusammen. Solche Prozesse sind aber langwierig und das widerstrebt der Digitalisierung.

Die Bundessteuerberaterkammer hat sich auch mit der Herausgabe von Steuerberatung 2020 mit dem Thema Digitalisierung befasst. Wie geht es weiter damit?

Das Wort Zukunft und die Zahl 2020 passen mittlerweile nicht mehr richtig zusammen und wir arbeiten an einem neuen Titel mit neuen Themen. Das Problem ist allerdings, dass es uns momentan nicht leicht fällt, Prognosen abzugeben und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Zumal wir es mit einem sehr heterogenen Beraterfeld zu tun haben. Wir können kein Universalrezept ausstellen. Es wird noch jahrelang funktionieren, traditionell zu arbeiten, weil es viele Mandanten gibt, die noch lange an einer traditionellen Beratung festhalten werden. Ob das das Erfolgsmodell sein wird, wage ich zu bezweifeln.

Manchmal passieren Veränderungen aber doch schneller als gedacht.

Ich will damit auch nicht sagen, dass es empfehlenswert ist, an so einem traditionellen Kanzleimodell festzuhalten. Ich weiß aber, dass viele Mandanten meiner Kollegen Beharrungsvermögen haben. Und dieses Beharrungsvermögen werden wir nicht abtrainieren oder abgewöhnen können. Ich würde aber jedem Steuerberater empfehlen, die Digitalisierung in seinem eigenen Umfeld voranzutreiben und auch zu nutzen. Wie sollen wir den Mitarbeitermangel sonst bekämpfen? Natürlich kann ich jetzt die Gehälter nach oben treiben und ich kann versuchen, diejenigen abzuwerben, die ein interessantes Profil haben, aber das machen andere auch. Das ist eine Spirale, in der  keiner gewinnt. Wir brauchen digitale Prozesse, um mit weniger Leuten mehr schaffen zu können. Diese Entwicklung hat schon lange begonnen. Wenn ich überlege, wie lange wir früher an komplexen Buchhaltungen gesessen haben und wie es heute läuft. Es hat sich viel getan und diesen Weg müssen wir weiter beschreiten.

Neue Impulse rund um das Thema Führung

Das Thema Führung hat die Bundessteuerberaterkammer in Form eines Impulsvortrags beim Deutschen Steuerberaterkongress aufgenommen, warum?

Eine Folge der Digitalisierung ist auch, dass der Druck auf Steuerberater als Praxisinhaber mit Mitarbeiterverantwortung unheimlich zunimmt. Verhaltensmuster und Regeln, die sich über Jahrzehnte herausgebildet haben, lösen sich gerade auf. Dadurch wird vielen der Boden weggezogen. Aber es gibt Ansätze, die zeigen, wie man das Thema Führung von Mitarbeitern anders angehen kann beziehungsweise vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels auch muss. Nur so können die Veränderungen auch gemeistert werden.

Und geht die Branche das Thema gerade anders an?

Führung muss immer überdacht werden. Jeder Mensch ist anders, möchte und muss anders geführt werden. Es gibt viele verschiedene Steuerberater in Führungspositionen. Manche haben ein Gespür dafür und andere tun sich eben nicht so leicht mit Führung. Was wir mit dem Vortrag erreichen wollten, ist, dass der ein oder andere angeregt wird, über sein Führungsverhalten nachzudenken. Wenn uns das gelungen ist, dann haben wir schon viel geschafft.


Zur Person

Boris Kurczinski ist Steuerberater, Präsidialmitglied der Bundessteuerberaterkammer und Präsident der Steuerberaterkammer Schleswig-Holstein.

Sarah Beha
Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Steuerberater