"Die Frau können wir hier gebrauchen"
Frau Wenz, weshalb haben Sie sich für das Amt der Präsidentin bereiterklärt?
Monika Wenz: Ich habe zunächst eine Weile darüber nachgedacht, ob ich das zum jetzigen Zeitpunkt schon machen sollte, da ich in Vollzeit in meiner eigenen Kanzlei tätig bin und zudem zwei Kinder im Teenager-Alter habe. Den Ausschlag für meinen Entschluss gab schließlich die Überzeugung, dass es gerade wichtig und sinnvoll ist, das jetzt zu tun und nicht erst aus einem – wie auch immer aussehenden – Unruhestand heraus. Gegenwärtig stehe ich nämlich im Feuer wie all die Kolleginnen und Kollegen, die ich vertrete. Ich bin viel näher an deren Realität. Anders ausgedrückt: Es nützt nichts, immer zu jammern. Nur eigenes Engagement hilft, die Situation zu verbessern.
Es nützt nichts, immer zu jammern. Nur eigenes Engagement hilft, die Situation zu verbessern.
Und wie können wir uns diese Arbeit vorstellen?
Tatsächlich war ich überrascht, wie viel Aufmerksamkeit mit diesem Amt verbunden ist. Ich war zuvor schon Vize-Präsidentin, aber das lässt sich nicht vergleichen. Als Präsidentin werden sie gehört, sie füllen eine prestigeträchtige Rolle aus. Das öffnet ihnen Türen in der Oberfinanzdirektion ebenso wie im Landesfinanzministerium. Plötzlich haben Sie überall einen Ehrenplatz – was am Anfang zugegebenermaßen etwas komisch ist.
Diversität in der Steuerberaterkammer: Altersdurchschnitt und Geschlechterrollen
Welche Rolle spielt es, dass Sie derzeit die einzige Frau sind, die als Präsidentin einer Steuerberaterkammer vorsteht?
Diese Tatsache wird zunächst sehr oft betont. Daneben werde ich natürlich anders behandelt: Mir klopfen keine Männer kumpelhaft auf die Schulter, wenn ich die Berliner Kammerrunde betrete. Bei der ersten Bundeskammerversammlung vor einigen Jahren – ich war noch einfaches Kammervorstandsmitglied – habe ich den Altersdurchschnitt noch erheblich gesenkt. Das hat sich in den letzten Jahren bereits verändert. Inzwischen ist die Mehrheit zwar noch deutlich älter als ich, doch es sind auch einige jüngere Kollegen nachgerutscht. Zwar gibt es außer mir keine einzige Präsidentin, bei den Stellvertreterposten liegt die Quote aber bei etwa 25 bis 30 Prozent.
Es gibt auch eine ganze Reihe von Geschäftsführerinnen, so ist die Bundeskammer fest in Frauenhand. Nur die Präsidentinnen fehlen. Weshalb?
Präsidentin ist ein Ehrenamt, das On-Top zur Berufstätigkeit hinzukommt. Sicherlich überlegen viele Frauen, ob sie sich das wirklich zumuten wollen.
Wenn Sie Geschäftsführerin werden, dann tun sie das hauptberuflich und machen somit eine Karriere, wie sie auch in erwerbswirtschaftlichen Unternehmen oder in der Verwaltung üblich ist. Präsidentin dagegen ist ein Ehrenamt, das On-Top zu ihrer Berufstätigkeit hinzukommt. Sicherlich überlegen viele Frauen, ob sie sich das wirklich zumuten wollen. Der Zeitaufwand ist nicht unerheblich und zahlreiche Termine, auch am Abend, verlangen eine partnerschaftliche Lösung, sofern eine Familie zu versorgen ist. Ich habe den großen Vorteil, dass mein Mann und ich gemeinsam eine Kanzlei führen. Deshalb habe ich immer Unterstützung und den Rücken frei, wenn es darum geht, den Verpflichtungen des Amtes gerecht zu werden. Dann spielt es keine Rolle, ob Zeitfenster familiär oder unternehmerisch abgefedert werden müssen. Dazu kommt, dass Männer sich mental leichter damit tun, zu sagen: ‚Jawohl, da kandidiere ich doch jetzt!’ Frauen sind mehrheitlich zurückhaltender, wollen eher gefragt werden. Doch genau das findet oftmals nicht statt. Wie bei der Henne und dem Ei liegt das auch daran, dass es unter Männern eingespielte Teams gibt, die wiederum keinen Bedarf sehen, etwas zu ändern.
Wie wichtig ist es – jenseits des Gerechtigkeitsaspekts – eigentlich, dass die Steuerberatungsbranche Gremien divers besetzt?
Tatsächlich scheint mir die Phase der beruflichen Karriere, in der man sich befindet, der wichtigste Faktor zu sein: Es macht einen großen Unterschied, ob sie noch aktiv jeden Tag im Feuer stehen oder nicht. Hier passiert aber gerade einiges, der Generationswechsel findet sukzessive statt. Hinderlich ist teilweise, dass die Amtszeiten oft sehr lang sind, wodurch weniger Durchmischung stattfindet, als es möglich und wünschenswert wäre. Es wäre aber auch ein Fehler, auf die Erfahrung der ‚alten Hasen‘ zu verzichten. Sowohl beim Alter als auch bei der geschlechterspezifischen Besetzung kommt es auf die Mischung an. Ein Blick auf die Absolventenzahlen beim Examen lässt jedoch davon ausgehen, dass die Frage der Geschlechter eine Frage der Zeit ist. Meine beiden Stellvertreter sind übrigens Männer, einer jünger und einer älter als ich. Ihre unterschiedlichen Perspektiven schätze ich ungemein und halte sie für eine Bereicherung unserer Arbeit.
Sowohl beim Alter als auch bei der geschlechterspezifischen Besetzung kommt es auf die Mischung an.
Nähe aufbauen, sichtbar werden: Steuerberater im Ehrenamt
Kann man diese Prozesse mit Quoten oder Selbstverpflichtungen beschleunigen?
Nein, das glaube ich nicht, obwohl ich dazu generell eine ambivalente Haltung einnehme. Am Ende lebt unsere Arbeit von der fachlichen Ebene. Und dabei habe ich nicht das Gefühl, dass mir Männer seltener Recht geben, weil ich eine Frau bin. Andererseits habe ich auch nicht den Eindruck, dass es irgendein Bemühen gibt, den Status Quo schneller in einen paritätischeren Zustand zu überführen. Im Hinblick auf meine eigene Person bin ich der Meinung, dass ich nicht aus Quotengründen gefragt wurde, ob ich für dieses Amt kandidieren möchte. Vielmehr war ich schon seit 2009 im Fachausschuss für internationales Steuerrecht, seit 2014 im Kammervorstand und von 2018 bis 2022 Vizepräsidentin. Da hatte man wohl einfach das Gefühl: ‚Die Frau können wir hier gebrauchen, die passt für den Job’. Langer Rede kurzer Sinn: Ich bin mir nicht sicher, ob eine Selbstverpflichtung sinnvoll ist, denke aber schon, man könnte ein paar Anstrengungen unternehmen, um auch neue Gruppen für diese Ämter zu erschließen.
Was nützt diese Erkenntnis dem ‚einfachen’ Mitglied?
Wie immer bei der Vertretung von Mitgliedsinteressen, stellt sich die Frage, wie nahe die Vertreter noch an ihren Mitgliedern sind. Bei den Steuerberaterkammern ist es wie in der Politik – Berlin ist manchmal weit weg vom Alltag. Das ist ein natürliches Phänomen – je höher die Ebene, desto größer die Distanz zu den Vertretenen – aber dennoch etwas, das es sich zu verändern lohnt. Jüngere Kolleginnen und Kollegen könnten mehr Alltagsfragen bis nach Berlin und Brüssel tragen.
Auch wenn sich die Arbeit sicherlich nicht unmittelbar in Euro niederschlägt, bleibt auf jeden Fall die Tatsache, dass man ganz anders wahrgenommen wird.
Wie können jüngere Berufsträgerinnen und Berufsträger vom Engagement in Gremien profitieren?
Man lernt unheimlich viel und bekommt Entwicklungen sehr frühzeitig mit, etwa rund um das Berufsrecht. Wir treffen eine große Menge an Menschen und allein diese Kontakte sind extrem lehrreich. Außerdem erwirbt man sich ein Netzwerk, in die Politik und die Finanzverwaltung hinein. Was nicht heißen soll, dass gerade Letztere nicht ohnehin zugänglich wäre: Hier kann ich nur jeden und jede ermutigen, im Zweifelsfall einfach anzurufen. Zurück aber zum Amt: Auch wenn sich die Arbeit sicherlich nicht unmittelbar in Euro niederschlägt, bleibt auf jeden Fall die Tatsache, dass man ganz anders wahrgenommen wird.
Ich hatte früher selbst das Gefühl, dass die Kammerfunktionäre einen Closed-Shop bilden, der über uns einfachen Beratern steht – aber das stimmt nicht. Jüngere Kolleginnen und Kollegen werden mit offenen Armen empfangen, niemand steht über ihnen oder ist in irgendeiner Weise besser oder zwangsläufig kompetenter. Die meisten haben sich auch eher zufällig in die Positionen hinein entwickelt, die sie innehaben. Wir stehen nicht über den Dingen, sondern freuen uns über alle, die sich beteiligen und engagieren wollen.
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