Grundsteuerreform: Hilfe für Steuerberater

Bald fällt der Startschuss für die neue Grundsteuer. Steuerberater:innen und Finanzverwaltung steht ein Marathon bevor, der vor allem für Steuerkanzleien eher ein Sprint als ein gemächlicher Lauf wird. Wie man ihn trotzdem meistert? Mit planvoller Vorbereitung und einer guten Portion Agilität.

Dass die Grundsteuerreform kommen musste, ist seit dem 10. April 2018 klar. Mit diesem Datum erklärte das Bundesverfassungsgericht die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung des Grundvermögens für unvereinbar mit der Verfassung (BVerfGE 148, 147). Es trug dem Gesetzgeber auf, sie auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Folge: Weit mehr als 35 Millionen in Deutschland belegene Immobilieneinheiten müssen neu bewertet werden. Auch dass für die Umsetzung dieses Mammutprojekts nur wenig Zeit zur Verfügung steht, ist längst keine Überraschung mehr.

Die Herausforderung: ehrgeiziger Zeitplan kombiniert mit vielen Unwägbarkeiten

Los geht es im März 2022, wenn die Allgemeinverfügung im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird. Danach werden die Steuerpflichtigen allmählich von den Finanzverwaltungen über das Vorhaben informiert – allerdings nicht in allen Bundesländern und wenn überhaupt, dann jeweils zu unterschiedlichen Terminen. So sind die Informationsschreiben in Baden-Württemberg bereits versendet worden. In Bayern wird das voraussichtlich erst im Mai der Fall sein.  Die für jede Immobilieneinheit einzureichenden Feststellungserklärungen können frühestens ab 1. Juli abgegeben werden. Spätestens bis 31. Oktober 2022 müssen sie vorliegen.


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Sorge bereitet vielen Steuerberater:innen vor allem der knappe Bearbeitungszeitraum von vier Monaten. Insbesondere Kolleg:innen, deren Mandantschaft überwiegend aus der Gastronomie und anderen durch die Pandemie beeinträchtigten Branchen stammt, werden dann an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Die Vorbereitungen für die Grundsteuerreform fallen für sie in einen besonders ungünstigen Zeitpunkt, da parallel auch die Schlussabrechnungen für die Corona-Hilfen fällig sind. Zudem gibt es bei dem einen oder anderen Verzögerungen bei Jahresabschlüssen und Steuererklärungen.

Dementsprechend kritisch sehen die Steuerberaterkammern und der Bundessteuerberaterverband das Projekt Grundsteuerreform. Sie konnten allerdings trotz dringender Appelle noch keine Erleichterungen erzielen.  So blieb die Forderung der Kammer, dass den Kolleg:innen ein Online-Zugriff auf steuererhebliche Grundstücksdaten ihrer Mandantschaft via Kataster-, Vermessungs- und Grundbuchamt eingeräumt wird, bisher unerfüllt. Auch eine Fristverlängerungsoption ist derzeit nicht in Sicht.

Der Lösungsansatz: ein Mix aus Agilität, Organisation und Kreativität

Wieder einmal sind daher Eigeninitiative, vorausschauende Selbstorganisation und eine gute Portion Kreativität gefragt, um auch diese neue Herausforderung stemmen zu können. Benjamin Schimmel, Inhaber der Kanzlei Schimmel in München, beschäftigt sich bereits seit letztem Jahr im Oktober mit der Reform. Er setzt vor allem auf frühzeitige Planung und eine enge Abstimmung mit Kolleg:innen. Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist im Netzwerk DITAX organisiert, einem Zusammenschluss innovativer und digitaler Kanzleien, dessen Ziel es ist, die digitale Transformation schneller voranzutreiben.

„Wir haben uns gemeinsam im Vorfeld angesehen, was organisatorisch auf uns zukommt und nach digitalen Unterstützungsmöglichkeiten gesucht. Nach einer Sondierung des Marktes haben wir dafür verschiedene Software-Tools identifiziert und uns für eine Anwendung entschieden, die mit unserer Kanzleisoftware kompatibel ist.“ Sein Ziel ist es, die Grundsteuerreform so digital und damit so effizient wie möglich zu stemmen. Dafür wird Benjamin Schimmel nicht nur das Software-Tool einsetzen, das aktuell noch in der Pilotierungsphase ist. Er bemüht sich derzeit in Absprache mit einem Kollegen um einen Online-Zugang, um Grundstücksdaten abrufen zu können – eine Möglichkeit, die aktuell in der Regel nur Notare haben.

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Aufklärungsarbeit ist gefragt

Gleichwohl ist es mit einer möglichst digitalen Umsetzung nicht getan, so Schimmel. Er hat deshalb auch organisatorisch schon Einiges in die Wege geleitet. In einem ersten Schritt hat er Infomails an seine Mandant:innen versenden lassen. „Aufklärungsbedarf gibt es viel. Wir haben Mandantschaft, die in selbstgenutzten Häusern und Wohnungen lebt und/oder auch Ferienwohnungen hat. Formal tauchen diese Liegenschaften in den Steuererklärungen nicht auf. Wir konnten also nur ahnen, welche Welle auf uns zurollt. Mit den Rückantworten auf unsere Mails haben wir nun zumindest einen groben Überblick darüber, wie viele Feststellungserklärungen auf uns zukommen werden.“ In den nächsten Monaten wird es weitere Infoschreiben geben, um die Mandant:innen nachhaltig für ihre Pflichten und die ehrgeizigen Fristen zu sensibilisieren und vor allem Verständnis dafür zu schaffen, dass bereits jetzt Handlungsbedarf besteht, obwohl die neue Grundsteuer 2025 erst erhoben wird. Das ist dringend nötig. Nach einer Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG waren im Dezember 2021 selbst professionell aufgestellte Unternehmen mit Immobilienbesitz nur mäßig auf die Reform vorbereitet. Erst 19 Prozent hatten zu diesem Zeitpunkt überhaupt mit der Datensammlung begonnen, bei 31 Prozent gab es noch nicht einmal eine Planung.  Nur bei sechs Prozent aller befragten Unternehmen lagen die erforderlichen Daten bereits vollständig vor. 

Benjamin Schimmel wird eine kanzleiinterne Grundsteuer-Taskforce ins Leben rufen und sich externe Kräfte an Bord holen. Deren Ziel wird es sein, die eigenen Mitarbeiter:innen, die ohnehin schon stark ausgelastet sind, nicht auch noch mit diesem Thema zu konfrontieren.

Ein riesiger Berg an Daten ist eine weitere Herausforderung

Doch trotz aller Vorbereitung bleibt auch ein gewisses Maß an Skepsis, ob das Grundsteuer-Vorhaben so wie gedacht auch wirklich reibungslos realisierbar ist. Nicht nur bei Benjamin Schimmel, sondern auch bei vielen Kolleg:innen. „Wir sind angehalten, einen riesigen Berg an Daten aus unterschiedlichen Informationsquellen zusammenzutragen. Teilweise liegen die für die Feststellungserklärungen benötigten Infos weder digital noch analog vor. So haben zum Beispiel viele Eigentümer von Denkmalschutzbauten das Problem, aus den alten Unterlagen die verlangten Infos zur Fläche zu ziehen.“

Eine weitere Hürde sind die unterschiedlichen Regelungen in einigen Bundesländern. Grundsätzlich gilt zwar ein bundesweites Modell. Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Sachsen haben jedoch von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und eigene Modelle entworfen. Um Mandant:innen mit bundesweit verstreutem Grundbesitz optimal beraten zu können, ist ein Blick über den regionalen Tellerrand nötig. Überblick über die länderspezifischen Besonderheiten verschafft das Portal www.grundsteuerreform.de.

Mittlerweile haben diverse Software-Anbieter Lösungen zur Umsetzung der Grundsteuerreform in Kanzleien ausgearbeitet. Digitale Unterstützung ist also in Sicht, wenn auch häufig noch nicht als lauffähige Endversion. Neue digitale Prozesse brauchen stets eine gewisse Anlaufphase, bis alles implementiert ist und man routiniert damit arbeiten kann. Diese Phase wird angesichts des knappen Terminplans denkbar kurz ausfallen. Doch hoffen wir das Beste – Steuerberater:innen sind ja mittlerweile krisenerprobt und, wie oftmals bewiesen, sehr resilient.

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